Das Gummiwort

Philipp_K

von Philipp_K

Story

Wir befinden uns heute in einer historisch einzigartigen Lage: Die ultimative Frage nach Leben oder Sterben wurde uns zwar schon häufig gestellt, aber immer nur einzelnen Kulturen, nie unserer Spezies als Ganzes. Gleichzeitig lebten noch nie so viele Menschen und hatten einen vergleichbaren Stand an Technik, Macht und Wohlstand erreicht. Ironisch, aber nicht gänzlich unerwartet, dass uns ausgerechnet auf dem vermeintlichen Höhepunkt unserer Zivilisation der Untergang droht …

Welche Antwort fanden nun die Zivilisationen, die überlebt hatten, auf die an sie gestellte ultimative Frage? Denn in welcher Form auch immer, sie mussten lernen, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam und umsichtig umzugehen und auf ihre Umwelt achtsam einzugehen, anstatt sie rücksichtslos auszuplündern.

Alle Strategien, in der ganzen Bandbreite ihrer schier unendlich scheinenden Varianten, lassen sich auf drei wesentliche Elemente zurückführen:

1. Suffizienz: Mit möglichst wenigen Ressourcen auszukommen.

2. Effizienz: Die vorhandenen Ressourcen möglichst sparsam einzusetzen.

3. Konsistenz: Die vorhandenen Ressourcen möglichst lange zu nutzen.

Diese drei Prinzipien bilden die Basis für einen Begriff, der in der heutigen Zeit leider dermaßen oft missbraucht, verzerrt und überdehnt worden ist, dass er beinahe schon in Misskredit zu geraten droht. Trotzdem ist er der Schlüssel nicht nur zu unserem Überleben, sondern auch zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise. Die Rede ist vom Wörtchen „Nachhaltigkeit“.

Wer sich allerdings noch einmal die Grundprinzipien oben vergegenwärtigt, der merkt sofort, dass diese Werte nicht mit dem heutigen Wirtschafts- und Politiksystem vereinbar sind. Die Basis unserer heutigen Ökonomie ist nämlich nicht sparen, sondern investieren, nicht speichern, sondern verbrauchen, nicht wiederverwenden, sondern neu kaufen. Auch die Politik setzt heutzutage mehr auf eine möglichst große, statt eine möglichst schlanke Bürokratie. Statt einen möglichst effizienten Entscheidungsprozess zu verfolgen, wird ebenso fruchtlos wie lange debattiert, und statt vorhandenes Erfahrungspotenzial möglichst lange zu nutzen, muss sich das Führungspersonal für fast jede neue Legislaturperiode neu einarbeiten. Vieles davon machte einmal Sinn und ist auch aus guten Gründen so entstanden. Doch wie schon der große Psychologe und Philosoph Paul Watzlawick festgestellt hat: „Mensch und Tier haben die fatale Eigenschaft, an einmal gefundenen Lösungen stur festzuhalten, auch dann, wenn die Rahmenbedingungen sich so weit geändert haben, dass jene Lösungen nicht mehr zutreffen – und so zum Problem geworden sind.“

Wir haben keine andere Wahl als dieses Grundproblem anzugehen – und nicht mehr und nicht weniger vor uns, als die Wertebasis unserer Gesellschaft in den oben genannten, bereits lange bekannten Prinzipien zu verankern. Denn die Alternative, die kennen wir ja bereits …

© Philipp_K 2023-03-26

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