Heute ist es doch so, dass ob der Flut an Nachrichten und der noch größeren Flut an Trägern, der Weg zurück zu den wirklich verlässlichen Quellen ein beschwerlicher ist.
Das war einmal ganz anders. Da gab es Tageszeitung und Radio, dann kamen zwei Fernsehsender dazu. Das, was in der Zeitung stand, war wahr und seriös.
In dieser Zeit fand in einer oberitalienischen Stadt ein Schülerwettbewerb im Maschinschreiben statt. Für Handelsschüler, da in Gymnasien kein Unterrichtsgegenstand. Den ersten Platz belegte ein Südtiroler Handelsschüler. HP. Es dauerte nicht lange, bis weitere Berichte folgten. Allerdings im Reden halten war der Handelsschüler auf den ersten Platz gelangt. Rhetorik -Wettbewerb für Schüler. Bald berichteten die Dolomiten über weitere Bewerbe. Zusehens spitzten sich die Ohren. Immerhin hatten wir Gustav Thöni, aber Redner war er keiner. Ein vielversprechender Wunderknabe ließ aufhorchen und war über Nacht in aller Munde. Die Tageszeitung druckte eine Familienseite mit Fotos von Mama-Papa-Schwester und Redner. Dann jagte eine Schlagzeile die nächste, von einem Naturtalent war die Rede, das in seiner bescheidenen Art so symphatisch wäre. Nur einfach der Beste von allen.
Meisterrednerwettbewerb in einer norddeutschen Stadthalle vor Tausenden von Zuhörern und einer fachkundigen Jury. Am nächsten Morgen war es sicher. Wir haben ein Genie unter uns. HP hat den Rednerwettbewerb gewonnen. Das Thema, zu dem er fünfzehn Minuten eine Rede aus dem Stegreif hatte werfen müssen, hat er geworfen. Gesiegt. Verbände, Vereine, Landtagsabgeordnete wurden abgelichtet an der Seite des Stars, die Lehrer waren stolz auf ihr Produkt. Die Tageszeitung hatte einen Dauerbrenner. Der nächste Schritt auf die Bühne der Rhetorik war die Europameisterschaft in Brüssel. Ja, das Wunder wurde Europameister. Die Schlagzeilen berichteten davon. Das Thema ein von weltpolitisch strategischer Dimension „……………, Europa, der dritte Weg“. An den ersten Teil erinnere ich mich nicht mehr. Aber an den Empfang in der Heimat. Die Gemeinde war auf den Beinen, Musikkapelle, Schützen, Pfarrer in Amt und Würden, Bürgermeister und Girlandenbogen „Willkommen dem Meisterredner“. Ich hab es miterlebt. Beim Abendessen des Chores war er Ehrengast. Der Siegerrede vom Tonband haben wir gelauscht. (Unter uns, ich verstand nichts von Weltpolitik, aber ich habe geklatscht). Als ich mit meinem Vater nach Hause fuhr, sagte dieser: „Ja, ich weiß nicht, aber gar so gut hat er nicht geredet“. Was??
Dann folgten Empfänge in Bozen, im Landhaus, Blumen, Geschenke und lückenlose Berichterstattung in er Tageszeitung.
Schließlich die Weltmeisterschaft in Amerika. Die Meldung vom Weltmeistertitel kam zu früh über die Fernschreiber. Der Bewerb konnte noch nicht abgeschlossen sein. Da griff einer zum Telefon und begann zu recherchieren.
Schildbürger für ein Jahr.
Stattgefunden hatte nur der Schulbewerb im Maschinschreiben.
© Elisabeth Kinigadner 2020-08-04