von Lorenz Graf
Es war bitter kalt im Feber 1951. Ich half meinem Vater um unseren Baugrund einen Zaun, eine sogenannte „Rohrrampe“, zu errichten. Zwischen quer liegenden langen Holzstäben wurde Schilfrohr aufgestellt und mit Draht fixiert. Ich arbeitete gern als Kind mit meinem Vater. Ich schätzte seine Ruhe und Ausdauer bei der Arbeit.
Ich war dann wochenlang dabei als er allein mit Schaufel und Krampen eine Kellergrube aushob und anschließend noch eine „Ziegelgrube“. Dazu grub er ein großes Loch in der Ecke der Bauparzelle. Auf einer Seite arbeitete er sich stufenweise hinab bis zum Grundwasser in knapp drei Meter Tiefe.
Dann begann eine aufregende Zeit. Viele Verwandte und Nachbarn, darunter mehr Frauen, kamen zum „Ziegelschlagen“. Das Aushubmaterial der Grube, eine Mischung aus Lehm und Erde, wurde von den Männern mit viel Wasser so lange hin und her geschaufelt, bis es eine teigige Masse war. Diese wurde dann für je zwei Ziegel portionsweise in hölzerne Formen gedrückt. Frauen stürzten dann diese auf einer ebenen Fläche zum Trocknen aus. Nach Tagen waren die „Kotziegel“, wie sie genannt wurden, steinhart, wurden zu großen Stößen aufgeschichtet und mit Schilf bedeckt, damit sie vor Regen geschützt waren.
Im Frühsommer begann dann der Hausbau. Die Decke für den kleinen Keller war schon betoniert. Wieder halfen viele Menschen, auch wir Kinder. Mit den „Kotziegeln“ wurden die Mauern gebaut, indem sie mit dünnem Erde-Lehm-Gemisch als Mörtel verbunden wurden. Dank der vielen Helfer ging das sehr schnell. Jetzt sollte aber kein heftiger Regen kommen bis der Dachstuhl fertig und die Dachziegel oben sind. Die Dachziegel wurde auch händisch aus Beton hergestellt mit einer speziellen Presse, Stück für Stück.
Der Dachstuhl war schon oben, aber noch keine Ziegel. Da kam in der Nacht das heftige Gewitter. Ich bekam zwar das laute Donnern mit, verstand aber nicht das Lärmen, Schreien und die ganze Aufregung in der Nacht. Erst am Tag sah ich es. Ganze Nacht hatten viele helfende Hände den Dachstuhl mit vielen Holzstehern abgestützt, die Mauern aber waren verschwunden, nur ein großer Schlammhaufen war übrig.
In den folgenden Wochen wurden aus dem Schlamm wieder neue Ziegel „geschlagen“ und schließlich das Haus wieder aufgebaut. Es konnte dann über den Sommer gut austrocknen. Im Herbst wurde in einer Grube gebrannter Kalk mit Wasser versetzt („Kalk löschen“), eine nicht ungefährliche Arbeit, denn der Kalk wurde heiß und ätzend. Mit dem Kalk und Sand wurden die Mauern verputzt, damit sie wasserfest wurden. Schließlich wurde das ganze Haus weiß gekalkt. Noch vor dem Winter durften wir ins neue Haus einziehen.
Wenn die Gänse auf der Suche nach Kalk mit ihren Schnäbeln Löcher in die Wand gebohrt hatten, kam die Oma und hat sie mit einem Brei aus Rossknödel und Lehm, den sie mit den Händen angerührt hat, zugeschmiert. Nachhaltig gebaut, nachhaltig renoviert!
Und dieses Haus steht heute noch und ist bewohnt.
© Lorenz Graf 2019-04-28