von Marianna Vogt
NoĂ«l nahm den Einkaufszettel vom KĂŒchentisch, schwang sich aufs Fahrrad und fuhr zum Tante-Emma-Laden, der sich ganz in seiner NĂ€he befand. NoĂ«l kaufte gerne dort ein. Er bekam alles, was er wollte, die Lebensmittel waren immer frisch und man kannte sich. Oftmals ergab sich sogar ein persönliches GesprĂ€ch. Als NoĂ«l alles von seiner Liste abgestrichen hatte, bemerkte er, dass es zu viel war, um es mit dem Drahtesel nach Hause zu transportieren. Herr MĂŒller, der Ladenbesitzer bot ihm an, den Einkauf umsonst bei ihm vorbeizubringen, was NoĂ«l dankbar annahm. Der Mann hat sein Herz am rechten Fleck, dachte er sich beim Verlassen des GeschĂ€fts. FĂŒr diese Dienstleistung soll er ein Geschenk bekommen. Bald haben wir Weihnachten. Es wird mir bestimmt etwas Sinnvolles einfallen. Wenn nicht, frage ich Suzette, die hat gewiss eine zĂŒndende Idee.Fröhlich pfeifend fuhr er mit dem Bike nach Hause.Da er schneller daheim sein wollte, als der âHeimlieferserviceâ radelte NoĂ«l so schnell, dass er sich zu Hause als Erstes einen Trinkbecher frisches Leitungswasser einschenkte, welches er in einem Zug leer trank.Danach legte er seine Lieblings-CD in den Player und tĂ€nzelte laut singend durchs Wohnzimmer.Es klingelte an NoĂ«ls WohnungstĂŒre. NoĂ«l horchte auf. Das ist bestimmt âMiss Marpleâ – unsere Hausdetektivin.
Auf Zehenspitzen, um jeden LĂ€rm zu vermeiden, lief er zum Eingangsbereich. Mit dem rechten Auge linste er durch den TĂŒrspion. NoĂ«ls Vermutung bestĂ€tigte sich. Sie ist bestimmt gekommen, um mich zu maĂregeln. Sicher reklamiert sie, dass die Musik zu laut ist.
BedĂ€chtig öffnete er und sagte ĂŒbertrieben freundlich: «GrĂŒezi Frau Bohnenblust. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?»«GrĂŒezi NoĂ«l. Gestern Abend haben Sie und die Amerikanerin, wie heiĂt sie nochmals?, ganz schön Gas gegeben. Ich habe gelauscht, ich hatte nĂ€mlich das Fenster einen Spalt breit offen.» Sie lachte laut.«Sie meinen Suzette. Sie ist Kanadierin nicht Amerikanerin. Ich bitte Sie. Sie waren ja auch einmal jung, Frau Bohnenblust, oder?»«NoĂ«l, Sie sind ja auch schon in die Jahre gekommen. Und dann dieses junge Flittchen. Das hĂ€tte ich von Ihnen nicht erwartet. Sie sind doch ein gestandener Mann», wĂ€hrend sie sprach, schĂŒttelte sie ihr Haupt.«Frau Bohnenblust eine Studie belegt, dass Ă€ltere MĂ€nner mit jĂŒngeren Frauen lĂ€nger leben. VoilĂ – jetzt wissen Sie es. Aber ich denke, dass ihr Besuch einen anderen Grund hat. SchieĂen Sie los, wo drĂŒckt der Schuh?», dabei zeigte NoĂ«l sein schönstes Pepsodent-LĂ€cheln.«Alexander, mein Neffe, der neulich den FuĂball in Ihr Schlafzimmerfenster kickte, hat mir ein VogelhĂ€uschen geschenkt.»«Sehr schön», antwortete NoĂ«l trocken. «Und was habe ich damit zu tun?», fragte er erstaunt.«Ach wissen Sie, NoĂ«l, damit die Katzen die Vögel beim Futter picken nicht jagen, möchte ich es an einem der Ăste des Kirschbaumes welcher nahe am Wohnzimmerfenster steht, aufhĂ€ngen. Mit dem Alter bin ich kleiner geworden. Die Zweige sind fĂŒr mich zu hoch. Können Sie die Futterkrippe an einem der Zweige befestigen, NoĂ«l?»
© Marianna Vogt 2023-12-03