von Lillian Frehe
Der Wind fegte mir um die Ohren. Die Mähne meines Ponys flog durch die Gegend, während wir über das abgelegene Stoppelfeld preschten. »Schneller Macy!« rief ich gegen den Wind und ließ meine Hände, in denen die Zügel lagen, nach vorne fallen. Ich schaute nach hinten und stellte fest, dass wir nicht alleine waren. Eine hübsche, junge Frau mit orangen Haaren galoppierte auf ihren Pferden hinter mir her. Ihre Pferde sahen edel aus. Mit einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit holten sie blitzartig auf und überholten uns mit einem rauschen. Das Mädchen streckte ihre Arme zu beiden Seiten aus und sah dadurch aus, wie ein Adler, der in einer Windböhe vor mir her gleitet. Frei wie der Wind. Plötzlich bemerkte ich, dass Macy angehalten hatte. Mein Herz fing an zu rasen, als ich auf meinen eigenen Füßen stand. Mein Pony war spurlos verschwunden, ebenso wie das Mädchen mit ihren zwei edlen Pferden.
Unruhig drehe ich mich im Schlaf hin und her. Schweiß rinnt über meine Stirn, bis ich aufwache. »Was ein Nerven raubender Traum.« murmelte ich verschlafen. Ich träumte in letzter Zeit viel von Pferden. Immer die drei gleichen. Immer mache ich etwas mit Mac und plötzlich tauchen diese zwei Pferde auf. Ein Haflinger mit wunderschöner, langer Mähne, die im Wind fliegt und ein Quarter Horse mit Kastanien braunem Fell und einer schwarzen Mähne. Die beiden sehen immer aus wie Wildpferde. Immer so frei und glücklich… Manchmal ist auch das Mädchen mit dabei, jedoch nicht immer. Ein weiteres Merkmal meiner sich wiederholenden Träume sind, dass sowohl mein Pferd als auch die anderen spurlos verschwinden. In meinen Augen ist das nicht normal. Ich versuche, mir nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen und schlendere im Schlafanzug durchs Haus ins Badezimmer. Dort mache ich mich frisch, ziehe mir angemessene Klamotten an, putze mir die Zähne und kämme mir die zerzausten Haare. Diese alltägliche Routine ist so langweilig, dass sie sich anfühlt wie drei Stunden. Etwas wacher schleppe ich mich die Treppe hinunter und greife nach Baileys Leine. Auch dies ist eine tägliche Routineaufgabe, aber das wird nie langweilig. Bailey ist mein Hund und der einzige Grund, weshalb ich vor 4 Jahren nicht aufgegeben habe. Im Jahr 2020 sind so viele Dinge passiert, die mein Herz immer mehr leiden lassen haben. Meine Eltern hatten sich getrennt und der Rest meiner Familie bäumte sich über uns und verspotteten uns, als seien wir Fremde. Kurz darauf starb mein Pony, Macy und ich war mir sicher, dass ihr Tod kein Zufall war. Dieser Verlust tat weh. So wie es jeder tut. Und dennoch war es für mich wie ein Weltuntergang. Jeder Tag, an dem mein Selbstbewusstsein sank, fühlte sich falsch an, Mein Herz zerbrach dann erst so richtig, als wir umzogen und ich die Schule wechseln musste. Ich war erst 13 Jahre alt und musste alles hinter mir lassen. Alles, was mir je etwas bedeutet hat. Nur Bailey blieb. Langsam gehe ich zu Baileys Platz. Er liegt noch, wie immer, eingerollt darauf und sieht mich erwartungsvoll an. Ich nicke und schlage meine Hände auf meine Oberschenkel, um ein klatschendes Geräusch entstehen zu lassen. Er springt daraufhin auf und springt an mir wie ein kleiner Flummi hoch. Ich sehe, wie seine dünnen schwarzen Haare zu Boden fallen, als ich ihn ausgiebig kraule und begrüße. Seit 6 Jahren ist dies mein Morgen und jedes Mal gibt er mir neue Kraft. Ich Klippe die Leine an sein Halsband, nachdem er sich beruhigt hat und gehe mit ihm zur Haustür. Dort ziehe ich mir meine Sneaker an und stecke den Schlüssel…
© Lillian Frehe 2024-11-02