Es war ein warmer Sommerabend, die Sonne stand tief und das Thermometer hoch. Beate ging wie jeden Montagabend laufen, sie brauchte den Ausgleich zur Arbeit. Das Wochenende ging wieder so schnell um, da war der Montag ein Dorn im Auge und das Laufen ein schönes Kontrastprogramm. Beim Laufen konnte sie all das vergessen und war wie in einer anderen Welt. Der Blick auf den Rhein, das Rauschen der Strömung und das Abrollgeräusch ihrer Schuhe versetzten sie in einen tranceähnlichen Zustand. „Hey!“, rief sie plötzlich erschrocken, als ein übermotivierter Mann an ihr vorbeilief und sie leicht touchierte. Sie wurde aus ihrem Gedankennebel gerissen und ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken. Der Mann reagierte nicht und lief schnörkellos weiter. „So ein Idiot“, dachte sich Beate. Sie war von dem Vorfall aus dem Tritt gekommen. Wütend dachte sie sich: „Übermotiviert, fremde Frauen streifen, wie rücksichtslos. Hoffentlich knickst du gleich um.“ Da zuckte sie wieder zusammen, ein Boot fuhr an ihr vorbei. Das Signalhorn des Bootes war so laut, dass es die Musik aus ihren Kopfhörern übertönte. Sie war jetzt komplett aus der Bahn geworfen und machte eine kurze Pause. Sie dehnte sich und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie schloss die Augen und streckte ihre Arme in die Höhe. Sie öffnete leicht die Augen, da schnellte ein Mann direkt vor ihren Augen vorbei. Genervt schaute sie dem Mann hinterher, es war der übermotivierte Läufer von vorhin. „Thomas, der Kugelblitz“ stand auf seinem Rücken. Sie schüttelte den Kopf und wollte gerade wieder die Augen schließen, da hörte sie ein lautes Schreien.
Beate schaute nach rechts und versuchte herauszufinden, woher das Schreien kam. Der Mann, der soeben an ihr vorbeigelaufen war, lag auf dem Boden und hielt sich den Knöchel. Scheinbar war er wirklich umgeknickt. Vom Karma verfolgt, lief Beate zu ihm und fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. „Ja, ja. Ich bin nur leicht umgeknickt. Irgendwas muss da hinten auf dem Boden gelegen haben.“ Beate schaute sich um und fand nichts. „Komischer Kerl“, dachte sie sich. „Oh, man, welch Farce. Meine Annäherungsversuche sind mal wieder der Burner“, dachte sich Thomas. Tatsächlich hatte er sich zu Beate umgeschaut, sie war ihm schon auf dem Hinweg positiv aufgefallen. „Was eine Augenweide“, ging es ihm erneut durch den Kopf. Beate war verwirrt, fragte ihn aber dennoch: „Kannst du alleine aufstehen oder soll ich dir helfen?“ Thomas wollte sich den Schmerz nicht anmerken lassen und stand geschwind auf, machte den ersten Schritt und sagte: „Danke, aber ich schaffe das schon.“ Da sank er geschwind erneut zu Boden, er war wieder umgeknickt. Oder hatte sich tatsächlich verletzt und konnte nicht mehr richtig auftreten. „Du bleibst jetzt erstmal hier sitzen, ich hole dir Krücken. Ich wohne gleich um die Ecke.“ Beate hatte eine soziale Ader und konnte ihm ihre Hilfe nicht verwehren. Wenngleich sie ihm ja genau das gewünscht hatte. „Nein, das geht schon. Ich bin gerade nur ausgerutscht“, versuchte sich Thomas zu erklären. „Na klar. Und ich laufe fünf Kilometer in fünfzehn Minuten.“ Sie signalisierte ihm, dass er sitzenbleiben sollte und lief schnell nach Hause. Keine fünf Minuten später kam sie mit Krücken in der Hand zurück. Doch da saß er nicht mehr. Sie schaute sich verwirrt um. Da sah sie den Mann ihr entgegen humpeln. Mit einem Strauß Rosen in der Hand und schmerzverzerrtem Lächeln schaute er sie an.
© Maximilian Schickler 2024-10-17