Das Kind beim Namen nennen

Jennifer Corazza

von Jennifer Corazza

Story

Es war nicht so, als wĂŒsste er meinen Namen nicht. Habe ich fĂŒr gewöhnlich keinen Staatsakt daraus gemacht, welch elaborierte Wahl meine Eltern im Jahr 1990 fĂŒr mich getroffen haben. Aber Thomas der TĂ€ufer hatte andere PlĂ€ne und verlieh mir schon am ersten Tag meiner Anwesenheit einen Rufnamen in der WĂŒrdigkeit eines Jack Russell Terriers. JCO, ausgesprochen TschĂ€iko, tönt es seitdem mehrmals tĂ€glich durch die BĂŒro-RĂ€umlichkeiten. Abgeleitet von meinem Vor- und Nachnamen, die ihm laut eigenen Angaben unwiderruflich entfallen sein sollen. Zu blöd aber auch. Andererseits muss man bei ganzen drei Angestellten, darunter die eigene Ehefrau, schon VerstĂ€ndnis aufbringen, dass sich der vielbeschĂ€ftigte Mann nicht jedes Furzdetail merken kann. Hat er ja eine Firma zu leiten und gutes Personal sowieso ehrfĂŒrchtig Folge zu leisten.

Toll ist fĂŒr mich wiederum, in einem Land voller CJs und DJs jetzt völlig assimiliert zu sein. Vor allem dann, wenn es der eigene Chef nicht ist. Denn der ist Österreicher mit Leib und Sprache – behauptet aber selbstverstĂ€ndlich Gegenteiliges. Schummelt sich mit SĂŒdstaaten-Slang durch jegliche GesprĂ€chssituation und fördert dabei eine dialektale AuthentizitĂ€t zutage, die einem Ost-Deutschen, der sich am österreichischen „Geh bitte“ versucht, gleicht. Das southern „Y’all“ – ein GlanzstĂŒck völliger Unbeholfenheit, das er gezielt an jeder erdenklichen Stelle einfließen lĂ€sst, zĂ€hlt zu meinen persönlichen Favoriten: „Y’aaall joining me in the conference room?“ Eine Person, ich, macht sich auf, weil sonst niemand da heute. Oder „Tell me what y’all think real quick“ und mit „y’all“ einfach sich selbst meinen, weil eh nur der eigene Gedanke zĂ€hlt.

Lösung seines Problems: Die Partnerin. Denn die trĂ€gt nicht nur eine Greencard an sich, sondern auch den Nachnamen eines ehemaligen US-PrĂ€sidenten. Chance des Jahrhunderts zumindest am Papier Native American zu sein. Doch weil Konservatismus an Republikanern haftet wie vereinzelte österreichische Politiker an den Fersen Putins, entscheiden Herr und Frau fast PrĂ€sident bei der Hochzeit, den Namen des Ehegatten anzunehmen. Mayerhofer – englisch ausgesprochen, versteht sich. Neutral betrachtet sicher mindestens genauso schön.

Nach rund vierundsiebzig JCOs und ebenso vielen Y‘aaalls, die meine Ohren bereits an diesem Mittwoch ertragen haben, beschließe ich, mir in der Mittagspause ein GetrĂ€nk zu gönnen. Bei Starbucks, wie jeden Tag. An der Theke fragt mich die Barista vorschriftsgemĂ€ĂŸ nach meinem Namen. Aus Reflex sage ich JCO und gebe mir nicht einmal die MĂŒhe, mich zu korrigieren. Sie schaut mich kurz an, dann schreibt sie. ZurĂŒck im BĂŒro fĂ€llt mein Blick auf den Becher. Ein Jenni inklusive Smiley lachen mir entgegen. Ich lache zurĂŒck. Hat sich zumindest eine von uns meinen Namen gemerkt.

© Jennifer Corazza 2022-07-28

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