von Melina Klement
Die dunklen großen Bäume die dicht aneinander wuchsen versperrten bedrohlich den Weg. Auch die Sträucher und hohen Gräser machten es nicht gerade einfach, sich einen Weg durch das Unterholz zu bahnen.
Der jungen Frau stand der glitzernde Schweiß auf der Stirn, da es trotz der finsteren Nacht recht heiß für die Jahreszeit war. Hier und da schaffte es der Mond durch das Dickicht der Bäume zu brechen und beleuchtete dadurch ab und an ein Stück des feuchten Bodens. Sie hetzte leichtfüßig durch den Wald und sie spürte wie die Luft um sie herum, aufgeladen von der Magie in diesem alten Wald, zu knistern begann.
Sie war die Einzige aus dem Dort, die sich nachts in den Wald traute, da die Magie des alten Waldes dann am stärksten war. Denn selbst die Dorfbewohner, die ihr gesamtes Leben eingekesselt von dem großen Wald und dem Meer hinter dem Dorf verbrachten, fürchteten sich vor dessen alter und machtvoller Magie.
Die Bäume sprachen manchmal zu einem und wer diesen Worten zu viel Vertrauen schenkte, wurde nie wieder gesehen. Auch drehen die Menschen manchmal im Wald durch und greifen ihre Kameraden an. Sie sind dann wie Bestien, mit schwarz unterlaufenen Augen und niemand kann sie von diesem Wahnsinn befreien, bis auf das Schwert.
Sie war die Einzige, die so kraftvoll die Magie vernahm und selbst in den Lebewesen und Pflanzen die Magie fließen sah, wenn sie sich konzentrierte. Doch davon traute sie keinem zu erzählen. Denn das war kein gutes Zeichen, das wusste sie.
Das Mädchen schüttelte die dunklen Gedanken aus ihrem Kopf, da sie nun die kleine Lichtung erreicht hatte. Dort waren die Rehe, die sie verfolgt hatte. Der Morgen würde bald grauen und sie wollte bestimmt nicht mit leeren Händen zurückkehren. Das Mädchen legte den weißen Pfeil an ihren Bogen an und spannte langsam die Sehne. Ein paar Meter neben den Rehen war eine Ente aufgeschreckt aus dem Gras geschossen und schnatterte aufgeregt, während ihr Schnabel in dem Mondlicht bläulich glitzerte.
Selbst auf die Tiere hatte der Wald mit seiner uralten Magie Einfluss. Doch neben den Fischen in dem Meer war der Wald die einzige Nahrungsquelle für das Dorf. Sie konzentrierte sich auf das Reh vor sich und in dem Moment, als sie die Sehne losließ, erhellte ein rotes Licht explosionsartig den Wald.
Als das Licht nachließ und sie wieder etwas sehen konnte, stockte ihr der Atem und ihr Herz raste unaufhaltsam. Sie duckte sich in das hohe Gras und hielt den Atem an. Vor ihr stand auf dem verbrannten Gras der Lichtung ein Mann in einem dunklen Mantel. Hinter ihm leuchtete ein kreisförmiges, in der Luft schwebendes, rotes Portal. Der Mann hob seine Hand und ein rotes Zeichen erschien auf seiner Hand, dann erlosch das rote Licht des Portals.
Der Mann starrte in die Dunkelheit und das Mondlicht brachte seine Augen zum Leuchten. Augen, die tiefrot mit einer katzenähnlichen Pupille gefährlich funkelten. Augen, die alles sehen konnten. Augen, die sich nun direkt mit den grünen Augen des Mädchens trafen.
© Melina Klement 2022-07-12