DAS KOSTÜM

Micaela Hemesath

von Micaela Hemesath

Story

Früh schon kam ich in den „Genuss“ der Erziehung zur “foinen Dame”. Meine Opernsängerinnenmutter verkehrte in elitären Kreisen und war dementsprechend elegant gekleidet. Die kleine Tochter war im Samtkleidchen mit Lackschuhen und Kaninchenfellmanterl durchaus ebenbürtig neben ihr. Aber hatte mich je irgendwer gefragt, ob ich so herumgehen wollte? Spiel nicht mit den Kieselsteinen, du machst das schöne Kleidchen schmutzig! Auch ihre Enkeltochter bekam diesen Spruch im Biergarten zu hören. Doch hier durfte ich ganz locker entgegnen. Das Spielen mit Dreck stärkt das Immunsystem und außerdem haben wir eine Waschmaschine. Dass ich mir so nicht die Hochachtung meiner Mutter erwarb, war klar. Aber das war sowieso nicht leicht

Klar, dass man diesen rigiden Lebensformen ganz schnell den Rücken zugewandt hat! Mit 19 bin ich den strengen Mutterblicken entfleucht und gleich gaaanz weit ausgewandert. Mexiko! Doch hier kam man als weibliches Wesen vom Regen in die Traufe. In der Mitte der 60er Jahren durfte ich nur in Begleitung aus dem Haus und so flüchtete ich vor diesen Spielregeln nach einem Jahr.

Es war die Minirockzeit, je kürzer, desto besser. Doch der Job, der auftauchte, brachte doch tatsächlich wieder ein “Kostüm” mit sich. Bähh! Noch dazu in einer Farbe, die mir noch nie entsprochen hatte. Von oben bis unten blau. Schuhe und Tasche ebenso, Uniform von Lufthansa. Nur die Bluse leuchtete in fröhlichem Türkis. Einen Vorteil hatte es; ich wusste jeden Arbeitstag, was ich anziehen sollte. In der Freizeit erschien ich mit Hotpants, Minirock und Plateauschuhen. Oh well…

Noch eine Zeit plagten mich die “Kostümchen”, als ich eine Boutique hatte. Meine Overalls mit breiten Ledergürteln fanden auch nicht alle chic. Schon gar nicht die konservative Salzburger Damenwelt. Also plagte ich meinen privaten Geschmack in ein eisernes “Allgemeinkostüm” und machte damit gute Umsätze.

Aber haben wir nicht noch mehr Kostüme? Umgangssprachlich habe ich gerade wieder eines an mir kennengelernt! Das Nervenkostüm. Ich hätte nicht gedacht, dass ich es zwischen New York und Eugendorf so strapaziert habe im Laufe eines langen Lebens, dass mir ein Gang zum Augenarzt so viel Nervenmasse verbraucht. Es war ein echter Angsttermin gestern. Warum? Ich kann mir noch nicht einmal eine Wimper herausholen aus den Guckerln. Geschweige denn, irgendjemand an mir herumtropfen lassen. Mit meinen Rescuetropfen gegen meine Nervosität gerüstet, beging ich also den Gang zum Schafott.

Überraschung! Ein gut aussehender junger Arzt plauderte mit mir, stellte sich artig vor, er hätte die Praxis neu übernommen. Was für eine Wohltat, in junge schöne braune Augen zu schauen beim Gegenüber und beim Augencheck. Pfff! Erleichterung! Also konnte sich mein “Kostüm” wieder entspannen. Das tat es auch, indem es sich für 10 Stunden in der Nacht Wegbeamte und mich mit großem Erstaunen 10 Stunden später erst wieder aufwachen ließ.

In einem Jahr komme ich wieder! :-))

© Micaela Hemesath 2022-11-11

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