von Angela Buchegger
Es gibt da eine ganz besondere Geschichte, die fest mit unserem Hof verbunden ist, obwohl sie sich schon vor mehr als hundert Jahren ereignete. Sie betraf unsere Vorbesitzer. Ich erzähle sie, damit sie nicht verloren geht. Vor kurzer Zeit stand plötzlich ein Herr vor mir. Er wollte wissen, wo dieses Kreuz steht. Ein Urenkel der damaligen Bäuerin. Ich erzählte ihm alles, was ich von der Geschichte weiß. Das tragische Schicksal von damals führte ja dazu, dass der Hof verkauft wurde. Meine Urgroßeltern, Max und Barbara Haller, zogen hier her, nachdem ihr altes Heimathaus, in Kirchberg bei Maria Lankowitz, durch einen Brand vernichtet wurde. Schon in meiner frühen Kindheit ging ich mit meiner Großmutter gerne in den Wald und hin zu jenem ganz besonderen Platz, wo das alte Holzkreuz steht, mit dem Bild der hübschen jungen Frau. Die Großmutter war es auch, welche mir die Geschichte von der jungen Bäuerin erzählte. Sie war Mutter von zwölf Kindern und sie verstarb hier mitten in der Nacht an einem Herzversagen. Sie war auf dem Weg, um der schwer erkrankten Nachbarin beizustehen. Doch sie kam nie an. Ihr Tod war eine große Herausforderung, nicht nur für ihre Kinder, auch für ihren Mann und für den Hof. Die Kinder verloren ihr Zuhause, weil der Vater es nicht schaffte, die Landwirtschaft allein aufrecht zu erhalten. So wurde verkauft und meine Urgroßeltern waren die ersten der neuen Generation auf diesem Platz. Die Geschichte ist mir schon immer unter die Haut gegangen. Ich weiß es selber nicht, was mich ständig dorthin zog, zu diesem Kreuz im Wald. Dort habe ich schon als Kind gebetet und geweint, meine kindlichen Sorgen erzählt und ich hatte dabei immer das Gefühl, da ist jemand, der mir zuhört.
Auch als ich dann selbst die junge Bäuerin am Hof war, führte mein Weg immer wieder hin zu diesem Kreuz. Bis zu jenem Abend. Die Arbeit am Hof war für diesen Tag erledigt. Abendläuten erklang vom Ort herauf. Und es zog mich wieder hin, zu diesem Kreuz, um dort für den gelungenen Tag zu danken. Diesmal begleitete mich meine Tochter, sie war damals noch ein kleines Mädel. Tiefer Abendfrieden war im Wald eingekehrt. Mucksmäuschenstill rundherum, nicht einmal ein Vogel war zu hören. Wir beteten unser Abendgebet, als plötzlich beim Kreuz, drei laute dumpfe Schläge ertönten. Erschrocken sahen wir beide uns an. Ich durfte es meiner Tochter gar nicht anmerken lassen, wie sehr mich diese Situation beunruhigte. Schleunigst verließen wir diesmal den vertrauten Ort. Ich hatte öfter erzählen gehört, dass es Nachts am Kreuz spukt. Ich konnte jedoch bisher darüber nur lachen. Doch seit diesem Erlebnis war mir der Lieblingsplatz unheimlich geworden. Nur noch selten kam ich am Kreuz vorbei und wenn, dann nur in Begleitung. Eine neuerliche Überraschung gab es, als ich nach dem Schwammerl suchen wieder einmal dort zukehrte. Ich hatte meinen Hund dabei, daher fühlte ich mich beschützt. Es tat gut, ein wenig am Lieblingsplatz zu verweilen, um ein Gebet zu sprechen. Plötzlich fing aber mein treuer Begleiter an, sich wie wild zu gebärden. Mit heruntergezogenen Lefzen, zeigte er die Zähne und knurrte und bellte als ob hier eine Bedrohung zu sehen wäre. Dabei ging er in Angriffsstellung, direkt hin auf einem bestimmten Platz neben dem Kreuz. Seither beschäftigt mich immer wieder eine Frage. Was war das für ein Zeichen? Und ich habe recherchiert wie damals das Leben am Hof ablief. Was passierte tatsächlich.
© Angela Buchegger 2020-11-21