„Bitte, Namar. Lass mich dir helfen.“ Sanft wollte sie ihm an der Schulter zu sich drehen.
Blitzartig drehte er sich zu ihr um. „Geh. Raus.“
Erschrocken stolperte Aser einige Schritte zurück. Dabei hätte sie beinahe das schwere Mikroskop vom Tisch gerissen. Bestürzt hielt sie sich eine Hand vor den Mund. „Was … Was ist passiert?“ Mit vor Schock weit aufgerissenen Augen betrachtete sie ihren wissenschaftlichen Assistenten. Seine Haut war viel zu blass für seinen eigentlich karamellfarbenen Teint. Seine dunklen Haare hingen ihm schweißverklebt ins Gesicht. Unnatürlich dunkle Ringe umrahmten seine müden Augen.
Erneuter Husten durchzuckte Namars Körper. Als er Aser danach wieder ansah, klebte Blut an seinen Mundwinkeln. Erst jetzt fielen ihr die kleinen, bereits getrockneten roten Flecken auf seinem Kittel auf. Mit entkräftetem Blick auf seine Vorgesetzte gerichtet, sprach er heiser: „Kyle, verriegele die Tür.“
Augenblicklich knallte direkt vor Asers Nase die metallene Schiebetür ins Schloss. Ein Klacken verkündete die Verriegelung. Unbewusst war Aser langsam Schritt für Schritt rückwärts Richtung Tür gegangen. Nun konnte sie nichts anderes tun, als entgeistert durch das kleine Rundfenster in der Tür zu schauen. Verzweifelt begann sie wie wild mit Fäusten gegen die Tür zu hämmern. „Was soll das?!“, schrie sie aufgebracht. „Namar! Lass mich rein. Lass mich dir helfen!“
Namar sah sie nur wortlos an, immer noch auf dem Boden kniend.
„Kyle! Öffne die Tür.“
Die TĂĽr bewegte sich nicht.
„Kyle Isaac, öffne die verdammte Tür!“ Kräftig rüttelte Aser mit beiden Händen daran. Nichts bewegte sich. „Verdammt, Namar!“
„Aser, bitte.“ Er musste erneut heftig husten. Mittlerweile war seine komplette Hand blutverschmiert. „Ich hab’s verbockt.“
„Was? Nein, das … “
„Die Proben … “, versuchte er ihr atemlos zu erklären, „die Mikroorganismen … Sie sind aus der Kryobiose erwacht.“
Nun ĂĽberkam es Aser wie ein Blitz, der auf sie niederfuhr. Der Sturm. Der Stromausfall. Dabei musste ebenfalls die hermetische Isolierung der Laborbank ausgefallen sein. Schneller als erwartet, konnten sich die Mikroben regenerieren. Trotz Namars Sicherheitsvorkehrungen infizierten ihn die pathogenen Organismen.
„Halte durch, Namar“, rief Aser ihm hoffnungsvoll durch die verschlossene Tür hindurch zu. „Wir schaffen das.“ Dann hastete sie in die Küche. Dort hing in einer Ecke ein Funktelefon, von dem sie dachte, sie würden es nie brauchen. Flink tippte sie die daneben befestigte Nummer ein. Gefühlt Ewigkeiten später hob jemand auf der anderen Seite ab. „Hallo? … Hier ist Asereth Xela, Dienstnummer TA6495 … Wir haben hier einen Notfall … Namar Ania wurde infiziert. Wir brauchen sofort Hilfe! … Er braucht sofort Hilfe! Nicht erst in ein paar Wochen!“
© Anna-Maria Noller 2022-05-30