von Klaus Schedler
Der Titel (angeblich ein Zitat von Oscar Wilde) entspricht meiner Erfahrung. Daheim sprachen wir keine Mundart, doch konnte nichts über unsere münsterländische Sprachfärbung hinwegtäuschen. Ich lebte im festen Glauben, sprachlich unauffällig zu sein, bis ich in Wien zu studieren begann: Kaum hatte ein Wort gesagt, gab man mir dort durch Blicke zu verstehen, dass ich aufgrund meiner Sprache nie als Österreicher gelten kann.
Ich glaubte zunächst, mir nichts aus dieser sprachlichen Auffälligkeit machen zu müssen und verlegte mich auf die Forschung. So hoffte ich, nicht vor Einheimischen reden zu müssen. Das ging auch lange Zeit gut, bis man auf mich aufmerksam wurde, weil ich in Verhandlungen ein gewisses Durchsetzungsvermögen zeigte. Kurzum, meine Vorgesetzten zerrten mich aus meinem vermeintlichen Freiraum, um mich in der interessenpolitischen Arbeit einzusetzen. Dabei erkannte man aber bald, dass sich meine Sprache als hinderlich erweist.
Als Lösung wurde ich auf jenes Deutsch umgeschult, das an österreichischen Bühnen gepflogen wird. So fand ich mich in einem sprechtechnischen Einzelunterricht mit fast 40 Sitzungen bei einer sehr netten, damals etwa 70jährigen Dame wieder. Ich hatte namhafte Vorgänger, der Unterricht ging flott voran und tatsächlich ist mir die so erlernte Sprache zwanglos in Fleisch und Blut übergegangen. Natürlich ist nicht zu leugnen, dass ich jetzt ein gelernter und kein gebürtiger Österreicher bin.
Denkwürdige Ereignisse rund um die Sprache gab dennoch oft: So konnte ich, mit Deutschen in Kontakt kommend, recht schnell wieder in meine alte Sprache zurückfallen. Wie etwa 1992 in Berlin, als ich auf den höchst angesehenen Chef einer deutschen Forschungsagentur traf. In seinem Statement sparte er nicht mit Seitenhieben auf die seiner Meinung nach unterentwickelte Forschungskultur der Österreicher. Natürlich bin ich ihm keinen Stich schuldig geblieben, sondern habe als junger Neuling in der Szene, die Leistungsfähigkeit unseres – anscheinend nur für Deutsche schwer durchschaubaren Systems – vor Augen geführt. Mit diesem Angriff auf einen Säulenheiligen hatte er selber wohl am wenigsten gerechnet. Wie er mir nachher gestand, war er aber vor allem irritiert, dass da ein Österreicher gekonnt in ebendemselben niederdeutschen Idiom sprach, wie er selbst und dies hielt er für eine besondere Unverfrorenheit. Am Ausgang der Geschichte erkennt man jedoch, dass wir uns später vertragen haben.
Noch lustiger aber ist folgende Begebenheit: Nach meinem Sprachtraining traf ich einen deutschen Germanisten, der viel darauf hielt, dass er bei allen schon nach wenigen Sätzen die Heimatregion erkannte. Bei mir dachte er lange nach und fragte mich: „Sagen Sie, ist Deutsch eigentlich Ihre Muttersprache?“ Meine Antwort begann mit den Worten „Nun, das kann man so nicht sagen, denn das ist eine längere Geschichte …“
© Klaus Schedler 2019-04-11