Das Leben mit meinem Vater und wie ich ihn

retep

von retep

Story

Das Leben mit meinem Vater und wie ich ihn in der Sahara traf (Teil 1)

In der Kindheit hat mein Vater selten in die Erziehung eingegriffen, das war Aufgabe meiner Mutter. Ich durfte manche Zeit bei ihm im Büro verbringen, sofern ich mich ruhig verhielt. Natürlich wurden zusammen bebilderte Bücher über ferne Länder durchgeblättert und an seinem Globus gedreht, das Lesen kam dann von alleine.

Mit den Briefmarken, welche bei Vater aus aller Herren Länder eintrafen, kam die Weite Welt ins Kinderzimmer. Ich durfte sie in Alben einordnen und aus „philatelistischen Zwecken“ erhielt ich einen Mini-Atlas, die Geographie wurde damit zur sonntäglichen Spielwiese.

Sein alter Karl May „Von Bagdad nach Stambul“ war eines meiner ersten richtigen Bücher, welches ich las.

Bei mir beliebt war das Ansehen seiner technischen Grundlektüre, ich erinnere mich sehr gut, als ich ihm das „Viertaktprinzip des Verbrennungsmotors“ endlich fehlerlos vortragen konnte.

Seine große Liebe galt unserem eigenen kleinen Wald unterhalb des Hauses, wo er Wege von über einem Kilometer angelegt hatte. Im Sommer war das frühe Aufstehen oft eine Qual, er bereitete das Frühstück für uns zwei, waren wir dann aber erst unterwegs, staunte ich oft über sein Wissen. Keine Frage musste unbeantwortet bleiben! Weder über Baumarten noch über Trassierungen und Steigungen von neuen Wegen, welche wir mit Pickel und Schaufel für einen Waldlehrpfad schufen. (BILDER dazu)

Meine frühen Jugendjahre, die Sturm- und Drangjahre waren geprägt von seiner Toleranz. Es gab keine Jugendsünde, welche nicht verziehen wurde. Offensichtlich war meinem Vater nichts fremd. Misserfolge in der Schule wurden von ihm mit kritischem Blick bedacht, Erfolge nach einem Bonussystem honoriert. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit waren jedoch oberstes „Gebot der Höflichkeit“, wie er sich ausdrückte. Aber das Aufbegehren gegen die erziehende Mutter hatte langes, eisiges Schweigen zur Folge.

Am meisten hat mich mein Vater bei meiner Heimkunft beeindruckt, als ich mit 17 Jahren von Zuhause für Monate wegging. Reuig zurückgekehrt sagte er zu mir: „Du bist mein Sohn, wie könnte ich Dir die Türe weisen?“ Das war der einschneidende Punkt und wir hatten nie mehr Schwierigkeiten miteinander und er bezog mich mehr und mehr in sein Leben ein.

Während meiner Studienjahre lebte ich nicht sehr weit weg von zu Hause und es ergab sich leicht meinem Vater als Chauffeur und Vorführer auf seinen Vortragsreisen zur Seite zu stehen. Ich fungierte auch als sein „Sekretarius“, wie er mich gerne nannte, auch lehrte er mich Ordnung in seinem Archiv zu halten, so entstand ab Ende der 1970-er Jahre das „Orient-Archiv“.

Fortsetzung: Das Leben mit meinem Vater und wie ich ihn in der Sahara traf (Teil 2)

© retep 2019-04-27