Das Leben nach dem Knall? – Teil 4

Sandra Amling

von Sandra Amling

Story
Taunus 2009 – 2024

Am 03. Dezember ist meine Mutter aus dem Koma erwacht. Am 04. Dezember 2009 war mein 18. Geburtstag. Mein Vater ist zum wöchentlichen Besuch ins Krankenhaus gefahren. Wir waren 3 Monate lang jedes Wochenende bei ihr. In dieser Zeit hatte ich meinen Führerschein bestanden. Meinen ersten Freund kennengelernt. In diesen 3 Monaten hatte sich etwas verändert.

An meinem Geburtstag war ich im Kino mit zwei Freundinnen, und am Ende des Films klingelte mein Handy sturm. Ich ging ran und sage: „Ich bin im Kino, was ist?“. Mein Vater war dran und sagte: „Hier ist jemand der mit dir reden will“. Ich sagte nur: “Ja, ja gleich.“ Ich legte auf. Ich dachte nur, wo ist mein Vater gerade?

Der ist doch im Krankenhaus. Kann das sein, dass das meine Mutter ist? Ich bin sofort aufgesprungen und über die Leute im Kino gesprungen und rausgerannt. Meine Freunde kurz darauf mir hinterher.

Draußen auf dem Flur im Kino rief ich meinen Vater zurück und schrie: „Gib Sie mir sofort!“ Diese Sekunde, wo er das Telefon zu ihr rüber gereicht hat, setzte mein Herzschlag aus. Und auf einmal „Hallo. Alles Gute zu deinem Geburtstag, mein Schatz!“

Ich bin auf die Knie gefallen und in Tränen ausgebrochen. Ich sagte: “Mama, Mama, ich habe dich so lieb.“ Sie sagte: „Warum weinst du?“ Und mein Vater: „Weil Sie so glücklich ist.“ Ich sagte Ihr: „Mama, ich komme morgen zu dir, ich verspreche es dir!“ Und Sie sagte:“ Ja, ich warte auf dich.“

Eine Explosion an Emotionen überkam mich und ich hatte die Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Das ich sie wiederbekomme und wir nach Hause gehen können.
Als ich zum Krankenhaus fuhr war die Freude groß, doch als ich Sie sah, war der Anflug von Freude bereits wieder verschwunden. Dieser wache Moment am Telefon, wo sie mit mir ganz deutlich sprechen konnte, war weg.


Sie musste alles neu lernen: Essen, Trinken, Laufen, auf die Toilette gehen und banale Handgriffe wie z.B. nach etwas greifen. Das war der Beginn unseres echten Kampfes.
Es vergingen die Jahre zwischen Krankenhaus, Reha, Pflegeheim und Zuhause. Unsere Gedanken kreisten nur darum, dass meine Mutter wieder gesund wird. Die Rollen haben sich vertauscht. Auf einmal musste ich mich um meine Mutter kümmern, wie um ein Kind. Der Kummer war teilweise so groß, dass wir das Gefühl hatten, daran zu ersticken.

Nur mit Durchhaltevermögen und Mut haben wir erreicht, dass meine Mutter wieder zu uns nach Hause kommen konnte. Mittlerweile nach 14 Jahren kann sie wieder laufen, sprechen und selbständig essen.
Sie hat ein Leben und kann daran teilnehmen. Jedoch ist der Preis dafür sehr hoch.





© Sandra Amling 2024-02-25

Genres
Lebenshilfe, Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Traurig, Hopeful
Hashtags