Als hätte er die Luft angehalten. Der Zellophanbauch. Unter ihm das Rot von Granat, schimmernd im Licht der Lampe. Sie hat die heiße Masse kunstfertig in die sauberen Gläser gefüllt, das kreisrunde Zellophan mit Gummiringen über die Kanten gespannt. In Reih und Glied standen sie, das durchsichtige Röckchen abstehend, eine Ballerina an die nächste. Ein Duft in der Küche, der einen in den Garten entführte, vor das alte, ein wenig herrschaftliche Haus, in dem kein Herr hauste, aber die Frau waltete. Im und um das Haus. Man sah sie gegen Unkräuter anrücken, Seerosen im Teich drapieren, Gießkannen schleppen – schwappend auf die alten, splitternden und von Gras überwucherten Platten Adneter Marmors – und wenn die Zeit reif war, die angelehnte Holzleiter emporsteigen, die sich – ohnehin gekrümmt – mit jeder, in den Eimer gepflückten Herzkirsche, ein wenig weiter durchzubiegen schien; davor aber, noch vor der Ernte der Schwarzen Johannisbeeren, sah man sie die Stauden der roten Ribisel umkreisen und von der prallen Last ihrer Miniaturtrauben befreien, um dann – den Weitling im Schoß – die Beeren, eine nach der anderen, von den Rispen zu perlen, als bedanke sie sich bei jeder einzeln, wie bei den Weichseln, die sich geschickt unter den grünen Blättern vor den zwitschernden Feinschmeckern unter den gefiederten Gartenbewohnern verbargen und ihre herb-sauren Früchte den im Schatten ihres Blätterwerks eingenisteten Fledermäusen vorbehielten – das Entkernen derselben eine prächtige Sauerei, an die man nicht mehr dachte, wenn man sich das gewärmte Kirschkernkissen auf den schmerzenden Bauch legte; und als hätte Gott es so gewollt, standen zeitgleich mit Ribisel und Weichseln die Himbeeren in saftiger Reife, sodass es knapp wurde, sie vor dem Verderb zu bewahren, unermüdlich in Schüsseln brockend und dabei den einen oder anderen weißen Ringelwurm wegpustend, um ihm das Weiterleben zu gewähren und den heißen Tod im Topf zu ersparen, in dem all das landete, was die Tage zuvor durch die behutsamen Hände der Frau gewandert war, um – einem Rezept folgend, das allein auf die besondere Farbe der Masse abzielte, als schüfe sie ein Gemälde – in einem schäumenden Brodeln, dirigiert von langstieligen Holzlöffeln und begleitet von klirrenden Gläsern, triefenden Sieben und dampfenden Tüchern ein fulminantes Konzert zu veranstalten, das den Garten in die Küche holte. Und in die Gläser. Mit einer hauchdünnen Schicht Zellophan vor dem Vergehen bewahrt, für die Zukunft konserviert. Durchschnitt ich sie nun, die zarte Hülle? Sie wäre augenblicklich da, die Frau, in ihrem summenden Garten, in der unter den Blüten der Japanischen Nelkenkirsche bei Kaffee zusammengefundenen Runde, und ich könnte ihren Gesprächen lauschen, wie ich es als Kind tat, und dabei genüsslich mein Butterbrot verspeisen und dem Himmel und der Erde danken für das granatrote Gelee obenauf, bei dessen Duft mein Herz lachte, wie beim Anblick der Frau.
Foto hansjorg keller
© Barbara Rainer-Mitterbauer 2021-04-02