Das Licht hinter der offenen Tür – Teil 2

Felix Kraus

von Felix Kraus

Story

Da stehe ich nun vor dem Eingang, einem wie zufällig dorthin geworfenen Fleck warmen, hellen Lichtes im nächtlichen Frieden der Gasse. Mein Puls steigert sich, wie in dem Moment, als ich mein eigenes Haus verlassen habe.

Ein Stimmengewirr aus Geplauder, Gelächter und dazwischen schwach durchklingende Musik dringen zu mir durch. Es ist wohl so, wie ich es mir vorgestellt habe! Gespannt lausche ich und bewundere, wie sich die Leute dort amüsieren. Nur seltsam, dass ich immer noch nicht drinnen bin. Ich kann es zwar kaum erwarten, in dieses Haus einzutreten – nur wie mache ich das? Natürlich; ich müsste einfach nur durch die offene Tür gehen – aber ich zögere, als hätte ich kurz vor dem Auftritt meinen Text vergessen.

Immer wieder kommen Leute an mir vorbei, sehen mich, erkennen, dass ich ebenso wie sie dabei bin, das Event zu besuchen, und grüßen mich daher wie einen Bekannten und dennoch mit aufmerksamer Neugier. Ich grüße verlegen zurück und bedeute mit einer raschen Geste, dass ich bald nachkommen werde. Sie treten dann nickend ein, ohne mich zu drängen und ich verweile in meinem stummen, unerklärlichen Warten. Ich überbrücke die Zeit mit völlig überflüssigen Betrachtungen des Gebäudes oder der Uhr an meinem Handgelenk, um damit scheinbar mein immer noch nicht eintretendes Eintreten zu entschuldigen, mehr vor mir selbst als vor ihnen.

Aber ich hab es ja nicht eilig; das Event dauert noch lange genug und es kann ohnehin jeder, wann er will, dazukommen. Ich kann also ruhig noch draußen verweilen und mir überlegen, was ich drinnen wohl alles machen würde. Wie ich mich einbauen und die anderen unterhalten könnte. Wie ich dabei verhindern könnte, dass man mich abstoßend findet – was eigentlich sowieso ausgeschlossen ist, bei den weit geöffneten Türen und der Wärme ihrer Blicke! Ich weiß nicht, warum ich ständig über so etwas nachdenke, es gibt überhaupt keinen Grund dazu; ich sollte einfach hineingehen!

Kurz entschlossen löse ich mich endlich aus meiner Starre, schreite zügig durch die Tür ins Licht. Und schon bin ich mitten in der Gesellschaft und werde sofort angeredet – wie schnell das hier geht! So viel Austausch! So viel Aufmerksamkeit und Heiterkeit! Ich füge mich all dem mit einfachen, verhaltenen Worten, werde angelächelt. Ich versuche einen Scherz, überraschtes, zustimmendes Gelächter folgt; meine Aufgabe ist getan, scheint es mir. Ich bin wie ein bewunderter Zirkusartist, doch mein Fuß zittert auf einem Seil, gespannt zwischen zwei Plattformen über gähnender Schwärze. Es wird Zeit, zurück auf den sicheren Boden zu gelangen. Ich gehe hinaus.

Ich sollte wieder hinein, hinein ins Warme. Aber so kalt ist es hier draußen nun auch wieder nicht. Die Kühle und Stille hier zügeln eher meine Gedanken, machen mich ruhig, geben mir Sicherheit. So bleibe ich vor der Tür, wartend, horchend, fröstelnd.

Bald schon ist das Event vorbei. Die Leute gehen davon und so verlasse auch ich ruhig das Haus, das ich kaum von innen gesehen habe.

© Felix Kraus 2021-10-28

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