In meiner Ausbildung zur med.-tech. Assistentin musste ich 5 Monate Krankenpflege machen, 2 Monate war ich auf der Medizinischen Klinik des Grazer LKH. Dieses wurde nach 20-jĂ€hriger Bauzeit 1912 eröffnet und galt jahrelang als das gröĂte und modernste Krankenhaus Europas.
Als ich jedoch 1954 (vor 67 Jahren) dort hinkam, gab es, aus der heutigen Sicht betrachtet, unvorstellbare Situationen. Im MĂ€nner- und Frauentrakt gab es in jeder Abteilung der allgemeinen Klasse zwei groĂe SĂ€le mit je 25 Betten. In diesen Betten lagen sowohl junge, aber in der Mehrzahl alte, schwerkranke, behinderte, inkontinente Patienten nebeneinander. Wie unruhig es in so einem solchen Saal ist und wie es dort trotz intensiver hygienischer MaĂnahmen riecht, kann man sich kaum vorstellen. In den 9 Wochen, in denen ich dort war, sind in den 2 SĂ€len 4 Patienten gestorben.
AuĂer dieser allgemeinen 3. Klasse gab es zwar einige 4- oder 6 -Bettzimmer der 2. Klasse und 1 Zimmer 1. Klasse fĂŒr Persönlichkeiten. Aber nicht viele konnten sich damals eine Zusatzversicherung leisten.
Ich war, wie die jungen SchwesternschĂŒlerinnen, fĂŒr die Pflege und Betreuung der Patienten zustĂ€ndig, von 7 Uhr frĂŒh bis 13 Uhr, mit einer kleinen Pause. Die Arbeit musste vorwiegend im Laufschritt erledigt werden, Ich durfte zusĂ€tzlich noch einer Ărztin assistieren, welche die Aufnahmeuntersuchungen machte.
Damals gab es im LKH Graz noch eine Anzahl von geistlichen Schwestern, die Barmherzigen Schwestern mit der FlĂŒgelhaube. Es waren vorwiegend Ă€ltere Schwestern, die als Stationsschwestern ihre Arbeit verantwortungsvoll machten, zu den SchĂŒlerinnen streng und penibel, aber nicht immer besonders freundlich waren.
Viele Ărzte waren damals noch die Götter in WeiĂ. 2 Mal im Monat war Chefvisite. GroĂe Aufregung bei den Schwestern, da musste besonders schön geputzt sein. Der Herr Professor ging mit den AssistenzĂ€rzten, und einigen Studenten durch den Krankensaal, studierte die Fiebertafeln, gab einige Anweisungen, richtete hin und wieder sogar ein Wort an die Patienten, aber GesprĂ€che in Augenhöhe mit den Patienten gab es kaum.
Ich war in den letzten3 Jahrzehnten an die 20 Mal im Krankenhaus und kann nur sagen, die Situation hat sich ungemein gebessert. Fast alle Ărzte sind höflich und wertschĂ€tzend, bereit fĂŒr aufklĂ€rende GesprĂ€che auf Augenhöhe, und man fĂŒhlt sich gut betreut. Kein Vergleich mit der damaligen Zeit!
Die weiteren 3 Monate war ich auf der GebĂ€rklinik. Die Krankenzimmer der Wöchnerinnen hatten zwar auch 25 Betten, aber da waren vorwiegend junge, gesunde Frauen. Die Babybettchen standen am FuĂende des Bettes. Die Babys mussten gewickelt, die MĂŒtter versorgt, Milch bei einigen abgepumpt werden, also Betrieb ohne Pause
Im Kreissaal waren auch 6 Betten, Hebammen betreuten die Entbindung. Ich durfte bei einem Kaiserschnitt, einer Zangengeburt, einer SteiĂlage mit den Studenten im OP Saal zuschauen. Die Zeit auf der GebĂ€rklinik war sehr interessant.
© Adelinde Barilich 2021-05-04