von Lucille Krämer
Es war der nächste Morgen, der nächste schicksalhafte morgen. Ich war mir nicht sicher, ob meine Schüler dies bemerkten, aber ich war unglaublich nervös. Natürlich hatte ich einen Plan für später und ich hatte heute Morgen auch bestimmt fünfmal nachgesehen, ob ich das Wattepädchen mit dem Chloroform auch wirklich eingepackt hatte. Aber ja, es lag sicher in meiner Tasche. Zumindest meine Kollegen merkten mir nichts an, aber scheinbar tatsächlich auch nicht die Kinder. Nachdem ich einen Arbeitsauftrag an die Tafel geschrieben hatte, ging ich zu dem Mädchen und bat sie leise nach der Schule nochmal zu mir in meinen Klassenraum zu kommen da ich mit ihr angeblich über ihr verhalten reden müsse, weil ich mir Sorgen machte. Ich versicherte ihr das es nur darum ginge, dass ich das Gefühl habe sie sei ruhiger geworden und sie stimmte, ohne viel nachzudenken zu. Natürlich war das meiste eine Lüge, aber eine gute, denn sie war tatsächlich sehr viel ruhiger als sonst geworden. Ein Grund mehr, warum ich mir am liebsten die Haut vom Gesicht reißen würde. Ich war dabei ein Kind zu entführen, dass mir nicht nur vertraute, sondern auch noch bis in die letzte Sekunde bevor es zu spät sein würde, davon ausgehen würde das ich ihr nur helfen wollte. Ich war wirklich ein Monster… Aber jetzt hatte ich sowieso keine Wahl mehr. Ich lief in meinem Klassenraum unruhig hin und her bis es an der Tür klopfte. Ich merkte, wie sich die Gänsehaut an meinen Armen hochkletterte, sei freundlich!, zwang ich mich und vergewisserte mich im Spiegel nochmal das ich auch so aussah. Wenn sie hier war und ich die Tür geschlossen hatte, war das nicht mehr wichtig, aber sie musste ja erstmal hier hereinkommen. Ich öffnete die Tür. “Hey, danke das du gekommen bist. Komm doch rein.” begrüßte ich sie freundlich, sie lächelte und schlüpfte an mir vorbei. Sie begann mit mir zu reden, mir irgendetwas zu erzählen, aber ihre Worte würden nie mehr bei mir ankommen. Ich hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Ich packte sie bei den Schultern. Sie wollte sich zu mir umdrehen, aber ich ließ sie nicht und nahm sie in die Mangel, um ihr das Chloroform auf die Nase zu drücken. In ihren Augen las ich für eine Sekunde Verwirrung, dann änderte es sich zu Angst und schließlich zu Panik. Danach schlossen sich ihre Augen und sie fiel bewusstlos zu Boden.
© Lucille Krämer 2024-07-15