Das Mädchen auf dem Dach

Yuna HHH

von Yuna HHH

Story


                                       Die Frau starrte mit düsterem Blick aus dem Fenster. Ihre Arme umschlangen ihre Knie und so wippte sie im Takt der Musik, die hinter ihrem Rücken, leise aus dem Radio ertönte. Sie saß hier nun schon seit Stunden. Ihr Schlafzimmer war ein trister, grauer Raum, sogar das Bett, auf dem sie sich hin und her bewegte, war in grauer Farbe. Jedes Mal, wenn sie hinaus auf die Stadt blickte, sah sie eine Gestalt auf dem gegenüberliegenden Dach sitzen. Bei genauerem Hinblicken erkannte die Frau, dass es sich bei der Gestalt um ein Mädchen handelte. Mit weißen Strümpfen, einem grauen Rock und einer weißen Bluse, saß sie da und wippte, wie die Frau, auf und ab. „Hat sie auch so ein leidiges Dasein wie ich?“, fragte sich die Frau immer wieder. „Oder genießt sie nur die Aussicht?“ Lange, für Stunden beobachtete die Frau das Mädchen. Und fast schien es ihr, als beobachte ihr Gegenüber sie zurück, oder beobachtete sie nur die Vögel? Oder dem Treiben der Stadt? Die Frau wusste es nicht. Aber, was sie wusste, war, dass ihr Gatte Willhelm sie bald abholen kommen würde. Sie hatte keine Lust, mit dem Schnösel von Gatte auszugehen, aber wenn sie sich weigern würde, würde wieder ein großes Theater entstehen und dies wollte wirklich keiner ertragen. Sie sehnte sich das Mädchen herbei. Die da, so wie sie einsam hockte und ihre Füße vom Dach baumeln ließ. Dennoch, einige Sekunden später raffte sie sich auf und blickte auf die Uhr. Seufzend nahm sie ihre Kleidung vom Kleiderständer und schlüpfte hinein. Es dauerte nicht lange und sie stand in einem blauen Samtkleid und einem schweren Pelzmantel um die Schultern in ihrem Zimmer. Traurig sah sie noch einmal aus dem Fenster und erstarrte. Das Mädchen, war noch da. Aber sie saß nicht mehr, sie stand. Eine Sekunde verstrich. Zwei Sekunden. Keiner rührte sich. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Das Mädchen stand noch immer da. Sie starrte in den Abgrund. Erst als sie einen Schritt zu der Dachkante machte, entfuhr der Frau ein markanter Schrei. Ohne zu zögern, stürzte sie zum Telefon und wählte hastig die Nummern der Feuerwehr und der Rettung. Nun konnte sie nichts mehr tun, als aus dem Fenster zu blicken und zu hoffen, dass die Hilfe so bald wie möglich eintrudelte.  

„Ja?“

„Hallo, ich brauche hier schnell Hilfe, ein junges Mädchen ist in der Gefahr ihr Leben zu nehmen.“

Ach, hätte sie doch gleich Alarm geschlagen. Es war doch von Beginn an klar, dass ein Mädchen, dass auf dem Dach saß nichts Gutes verheißen mochte.


 


© Yuna HHH 2025-04-28

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Traurig, Reflective
Hashtags