von Bernhard Fellner
In der Auslage eines kleinen Antiquitätengeschäftes entdeckte ich eines Tages ein schimmerndes Pferdemedaillon. Ich wußte sofort, wem ich es schenken konnte. Ich kannte da ein Fräulein, das eine große Affinität zu Pferden hatte. Und ich zu ihr.
Um mein Präsent passend vorzubereiten, sandte ich eine Kunstkarte mit Delacroix‘ „Weissem Schimmel“ voraus. Dann rief ich sie an. Wir verabredeten uns in Laxenburg, um dort mit ihrem Collie spazieren zu gehen.
Es war ein schöner Wintertag. Die Sonne schimmerte durch die kahlen Bäume und der Schnee glitzerte. Der Hund tollte im Park herum und die Enten ergriffen die Flucht. Allerdings war der See zugefroren. Kleine, weisse Wolken standen beim Plaudern vor unseren Mündern.
Im Hochsommer des vorigen Jahres hatte ich das Mädchen das erste Mal gesehen. Das war am Wiener Westbahnhof gewesen, als wir mit einigen anderen Jugendlichen zu einer Reise in die Provence aufgebrochen waren. Sie war still und bescheiden, konnte aber auch sehr spitz – die Franzosen sagen: pointiert – sein.
Als ich ihrem Hund einen Gummiigel schenkte, stellte sie fest, dass ich diesen schon vor ihrer Zusage gekauft haben musste. Und recht hatte sie! Ein sogenannter „Vorrats-Igel“! Man konnte ihr kein X für ein U vormachen!
Dem Hund gefiel der Spaziergang. Auch uns gefiel er. Der Park hätte ruhig größer sein können. Die Kälte war schon lange nicht so angenehm gewesen! Wir drehten noch eine zweite Runde um den Schlossteich und dann brachte ich die beiden nachhause.
Wir sind dann noch einmal in Laxenburg spazieren gegangen. Diesmal war es etwas wärmer, der Schnee auf den Pfaden schmolz schon ein bisschen. Es war wieder ein schöner, langer Spaziergang. Was wir geredet haben, entzieht sich aufgrund der großen zeitlichen Distanz meiner Kenntnis. Wir haben uns durchaus gut verstanden. Ob das Eis zwischen uns schon ganz geschmolzen war, kann ich nicht sagen. Jedenfalls sprang der berühmte Funke nicht über. Mein Atout – das zauberhafte Pferdemedaillon – hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits ausgespielt.
Es folgte ein schwieriges Telefonat, bei dem sie mir bezüglich weiterer Avancen mitteilte, sie müsse heute dringend Sessel streichen. Und zwar die eigenen und nicht die meinen. Ich nahm es mehr oder weniger gelassen hin – was blieb mir auch anderes übrig?
Längere Zeit habe ich nichts von ihr gehört oder gesehen. Eines Tages nahm ich wieder brieflichen Kontakt mit ihr auf und wir haben uns dann öfter geschrieben, bis auch dieser Brauch im Sand verlief. Am Anfang habe ich darauf geachtet, dass auf meinen Grußkarten mindestens ein Pferd drauf war, bis mir das zu mühsam wurde.
Sie ist dem „Glück auf dem Rücken der Pferde“ treu geblieben und hat lange Pferde-Touren in Zentralasien unternommen. Ich habe es bis heute nicht einmal zu einem Hund gebracht, obwohl ich Hunde sehr gern habe.
Wenn ich ein hübsches Pferd sehe, muss ich an sie denken: An damals, als die kleine Sphinx „im Jahre Schnee“ in diesen Zug nach Marseille gestiegen ist.
© Bernhard Fellner 2019-08-23