Das Messer (2)

Claas Gerald Gerdsen

von Claas Gerald Gerdsen

Story

Ich muss jetzt vorsichtig sein, mich zusammen reißen. Nichts Unüberlegtes tun. Nicht auffallen. Keine Frauen anschauen, nicht onanieren, schon gar nicht im Freien. Ich werde mich auf mein Studium konzentrieren. Wie ein Mantra sage ich es mir immer wieder vor. Konzentriere Dich!

Aber auch im Labor sind diese falschen, lächelnden Gesichter. Und in meinem Zimmer finde ich keine Ruhe. Als hätten sie sich gegen mich verschworen. Der über mir übt schon wieder mit seinen E-Drums. Ich höre ihn, auch wenn er mit Kopfhörern übt. Er merkt es nicht einmal und ich kriege dieses Tok-Tok-Tok nicht aus meinem Kopf. Nebenan streiten sie sich. Die Italienerin und ihre Mitbewohnerin. Hört auf! Die Notizen in meiner Hand sind zerknüllt, zerrissen. Wie meine Gedanken. Ich muss hier raus.

Draußen ist es kühl, aber ich komme nicht zur Ruhe. Rechts quillt Gegröle aus der Kneipe. Ich weiß nicht einmal, ob sie Fußball schauen oder einfach nur saufen. Hier ist keine Ruhe. Ich drehe mich nach links und versuche zu fliehen. Die Teenager an der Bushaltestelle lachen miteinander. Sie können kaum stehen, auf ihren Stöckelschuhen, aber sie lachen und feixen. Ich sehe es doch, sie lachen über mich. Schlappschwanz, Perversling. Blindlings biege ich ab, weg von dem Lachen, weg von dem Lärm. Endlich wird es ruhiger um mich herum. Nur in mir nicht.

Vor mir verabschiedet sich eine dunkelhaarige Frau von ihren Freundinnen. Sie winkt ihnen lachend zu. Dann geht sie in die Tiefgarage. Direkt vor mir. Sie ist allein und schaut sich nicht um. Meine Sneaker sind auf dem harten Beton nicht zu hören und ich ziehe die Kapuze hoch. Wieder taste ich nach dem Messer in meiner Tasche.

Es ist kalt, hart und scharf, als ich es aus der Scheide ziehe.

© Claas Gerald Gerdsen 2022-05-21

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