von Sonja Knöpfel
Nach ein paar wunderschönen Dates, stundenlangen Gesprächen, zahlreichen Gemeinsamkeiten und Millionen von Schmetterlingen in meinem Bauch, erfuhr ich, dass keine Beziehung gewünscht ist. Die Treffen dürfen aber gerne wie bis anhin weiterlaufen.
Ich habe somit eine neue Beziehungsform entdeckt: Ich wurde (unfreiwillig) ein Mingle.
Das Wort setzt sich aus „Mixed“ und „Single“ zusammen – eine Mischung aus Beziehung und Singledasein also. Die Forschung sagt dazu, dass es darum gehe, dass man die Wahlfreiheit offenlassen möchte, da man jemand Passenderem begegnen könnte. Ein Phänomen, dass mit Tinder bestimmt einen Aufschwung erhielt. Zu viele glauben, dass das Gras auf der anderen Seite grüner ist. Anstatt sich für eine Beziehung einzusetzen, geht man lieber den einfachen Weg des Nichtfestlegens.
Mit dem Zunehmen von Individualität und Egoismus in der Gesellschaft haben sich allerlei neue Formen des Zusammen- oder eben Nichtzusammenseins entwickelt. Nicht mehr im Zeitalter um die Jahrtausendwende, wo jegliches Abweichen des Normkosmos noch als verpönt angesehen wurde, gibt es keine Erscheinungsform mehr, die es nicht gibt! Mir scheint: Alle möglichen Misch- und Missformen sind willkommen.
Das Mingletum stellt keine Beziehung, aber auch keine Affäre dar. Man verabredet sich regelmäßig, schaut Filme oder kocht gemeinsam, hat Sex, unternimmt etwas mit Freunden, teilt seine Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte miteinander. Durch die Distanzierung vom Stempel „Beziehung“ hat man keine Verpflichtungen. Einer von beiden, wenn nicht beide, leiden früher oder später immer unter einer solchen Symbiose.
Frühzeitige Kommunikation über Absicht und Bedürfnis wäre hier womöglich eine Lösung. Mir scheint, je mehr wir Online kommunizieren, desto weniger tun wir es Offline. Kommunikation und Aufrichtigkeit sind anscheinend passé.
Ich war auch nicht besser als er in der Kommunikation. Naiv und unschuldig hatte ich mich auf Dates begeben und angenommen, wenn die Verbindung zwischen zwei Menschen einzigartig und schön ist, könne das nur in einer Beziehung enden. Ich wurde des Besseren belehrt.
Laut Studien wissen viele heute nicht mal mehr, ob sie eine Beziehung führen oder nicht. Welch wundervolle Zeit, in der wir leben! Als hätten wir nicht bereits genug Dinge im Leben, die ungewiss sind, fügen wir noch einen weiteren unsteten Bereich des Lebens hinzu, um uns selbst zu verunsichern und überfordern.
Es reicht nicht, dass man von der heutigen Leistungsgesellschaft im Beruf andauernd vor wachsende und anspruchsvollere Anforderungen gestellt wird und irgendwann das Burnout folgt! Sogar schon bei „twentysomethings“!
Jetzt fehlt bloß noch das „Beziehungs-Burnout“!
© Sonja Knöpfel 2023-08-22