von Annemarie Hülber
Was fährst du für ein Auto? Ein blaues. Viel mehr gibt es für mich da nicht zu sagen. Ja, die Marke weiß ich auch, ist nicht schwer bei 2 Buchstaben. PS, Kilowatt, Zylinder, Hubraum? Keine Ahnung. Es interessiert mich einfach nicht. Diesel oder Benzin, das wäre die Frage, die ich noch beantworten kann. Für mich muss ein Auto zuverlässig sein, einen geräumigen Kofferraum haben und nicht zu viel Treibstoff verbrauchen. Ich glaube, diese Einstellung ist gar nicht so ungewöhnlich.
Ungewöhnlich ist, dass ich bei einem Autofahrerclub arbeite. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen kennen sich super gut mit Autos aus, auch wenn sie nicht im technischen Bereich arbeiten. Ich arbeite in der Personalabteilung. Da genügt das Wissen, dass mein Auto blau ist.
Heute besuche ich die Kollegen in Krems, eine Schulung steht an. Für die Fahrt habe ich ein Firmenauto reserviert. Die Papiere hole ich beim Portier und ab in die Garage. Das Auto hab ich schnell gefunden, es lässt sich aber mit der Fernbedienung nicht öffnen. Gut, aufsperren geht. Das Auto springt nicht an. Super, der letzte Fahrer hat das Licht nicht ausgeschaltet. Kein Problem, schließlich ist Pannenhilfe unsere Berufung. Wieder rauf zum Portier. Der teilt mir ein anderes Auto zu, damit ich schnell zu meinem Termin komme. Ein ganz modernes Modell sagt er stolz. Das neue Auto, ein Japaner, hat keinen Schlüssel, es hat eine Karte. Ich drücke das Öffnen-Symbol, alles gut. Aber wo ist das Zündschloss? Ok, ich muss die Karte stecken, eh klar. Ich kann aber trotzdem nicht anfahren. Handbremse lösen. Wo ist die Handbremse? Da ist keine. Ganz ruhig, vielleicht gibt es einen Knopf. Nein, Fehlanzeige. Sehr peinlich, aber was soll ich tun. Ich rufe Roman, meinen Kollegen aus dem Personalbüro, an. Der ist ein Autoauskenner. Grinsend kommt er mir zu Hilfe. Fußfeststellbremse sagt er. Man löst die Handbremse über das Pedal. Ja, eh, logisch. Um aus der Garage zu kommen, muss man eine steile Rampe hinauf und bei einer Schranke anhalten, dann wieder anfahren. Mir bricht Schweiß aus. Roman ist ein Gentleman und fährt das Auto aus der Garage. Wir vereinbaren Stillschweigen, ich möchte keine Erwähnung in der lustigen Ecke der Mitarbeiterzeitung riskieren. Danke Roman, der nächste Kaffee geht auf mich, inklusive Zimtschnecke.
Dann geht alles gut. Aber nur so lange, bis ich am Heimweg tanken muss. Der Tankdeckel lässt sich nicht öffnen. Hurra. Es dämmert schon, es ist kalt und zu regnen beginnt es auch. Ich könnte bei der Pannenhilfe anrufen. Zu peinlich, nein, das kann ich selbst. Da muss es doch eine Bedienungsanleitung geben. Bingo. Es gibt einen Hebel, links neben dem Fahrersitz. Ok, unter der Fußmatte. Geschafft.
Licht einschalten, Scheibenwischer betätigen und Heizung anstellen geht dann ohne Probleme. Gutes Auto. Und wenn ich mir was wünschen darf: nächstes Mal bitte wieder ein altmodisches Modell. Mit Zündschlüssel und Handbremse.
© Annemarie Hülber 2021-09-17