Das Monster in meinem Kopf

Luna Winkler

von Luna Winkler

Story

Es fing an mit einem kleinem, unehrlichen Biest. Ein wenig verlogen, hinterlistig, ab und an frech und überhaupt ziemlich ungezogen. Es ließ sich wenig sagen und an manchen Tagen, da wollte es gar nicht hören. Da stiefelte es durch meinen Kopf, angetrieben durch den Hass, den ihre Stimmen sähten, pflügte mit einer Sense durch die Synapsenfelder meines Hirns und kappte sie, riss Stränge entzwei, sodass sie lose und kraftlos herab baumelten, die damit verbundenen Gefühle erkalten ließ.

Das kleine Biest mit seiner Sense, es sah beinahe aus wie der Tod, nur um einiges kleiner und seltsamerweise war sein Anblick belustigend, wie es da so mit seiner Sichel herummarschierte und den Schaden suchte. Seine Anwesenheit schien unbedenklich, aufrührerisch, aber nicht weiter gefährlich. Ich vergaß es fast schon, gewöhnte mich an seine allmonatliche Patrouille durch meinen Kopf, denn meist tat es zwar wenig gut, aber nicht weh, wenn es seinen Streifzug begann und oft mit einem lauten Scheppern enden ließ. Wie für eine Art Appell stellte es sich auf, genau zwischen meiner Augenpartie hinter meiner Stirn und lachte ein schaurig-schönes Lachen. Dann zog es ohne großen Tam-Tam ab und schlief, bis es wieder so weit war zu patrouillieren.

Und irgendwann begannen sich seine Besuche zu häufen, schleichend, unbemerkt. Anstatt von einmal in drei Monaten wurde es einmal in vier Wochen, ja es ging sogar soweit, dass es jede zweite Woche an mich herantrat und mit seiner Hippe stichelte. Und umso häufiger sein Kommen wurde, umso schauriger ward auch seine Gestalt. Es war nicht mehr gar so klein, eigentlich hatte es mittlerweile eine stattliche Größe, war nicht sonderlich kräftig, aber doch ausreichend, um den Herz einen gehörigen Tritt zu verpassen und nicht unbedingt furchteinflößend, aber zunehmend hässlicher. Es war ein mittelgroßes Etwas, was da nun mit Springerstiefeln durch meinen Kopf zog, darauf erpicht, nicht nur Synapsen zu trennen, sondern ganze Hirnareale einzunehmen, sie dem mittelgroßen Etwas untertan zu machen, sie zu beherrschen.

Das mittelgroße Etwas, es wurde machtgierig, besessen, hungrig nach mehr, mehr von meiner Hirnessenz, und noch schlimmer: süchtig nach meinen Gedanken. Insbesondere nachts lauerte es in seinen dunkelsten Ecken, um hervorzubrechen und sie mit einem Seil, dass es an seine Sense gebunden hatte, zu erdrosseln. Dann saugte er sie aus, ließ ihre Hüllen schlaff in meinem Hirn herumliegen und wartete darauf, dass die Träume kamen, um die Leblosen beiseite zu räumen. Es war erfüllt, das mittelgroße Etwas, so erfüllt, dass es nicht anders konnte, als weiterzumachen.

Und so kam es, wie es kommen musste: aus dem mittelgroßen Etwas wurde über Nacht ein Monster, ein Dämon mit peitschender Sichel und feurigen Atem. Es hasste mich und ich hasste es – und unser Kampf wäre wohl auf wenig so weitergegangen.

Doch dann kam er. Fand ich ihn wieder, eingeschüchtert in einer Ecke kauernd: den Mut, aufzustehen.

© Luna Winkler 2022-12-21

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