Das nÀchste erste Mal

Marianne Frank

von Marianne Frank

Story

Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Etwas Neues ausprobiert. Etwas, das du noch nie zuvor getan hast, aber immer schon einmal machen wolltest. Oder vielleicht auch plötzlich und ganz spontan, aber dich nicht getraut hast. Weil der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen war. Weil du Angst vor den Reaktionen der anderen hattest. Vor dem eigenen Scheitern, vor ZurĂŒckweisung oder Blamage.

Einem wildfremden Menschen ein Kompliment gemacht. Fallschirm gesprungen. Endlich Salsa tanzen gelernt. Ein Tattoo stechen lassen. Einen alten Freund angerufen, den du seit Jahren nicht mehr gehört hast. Dich um einen besseren Job beworben. Dir eine Auszeit gegönnt. Das erste Kapitel deines eigenen Romans geschrieben. Zum Flughafen gefahren und einfach in den nÀchst besten Flieger gestiegen. Vietnamesisch gekocht. Das KrÀuterbeet auf dem Balkon angelegt.

Zugegeben, die derzeitige Situation ist fĂŒr manche dieser Vorhaben nicht von Vorteil. Immer wieder muss so vieles auf einen spĂ€teren Zeitpunkt verschoben werden. Trotzdem gab es auch jetzt immer wieder erste Male.

In den letzten Jahren habe ich nur fĂŒr mich geschrieben. Oder die Geschichten, Szenen und Bilder ĂŒberhaupt nur in meinem Kopf entstehen lassen und gar nicht zu Papier gebracht. Nun endlich habe ich den Mut gefasst, meine Geschichten nicht nur aufzuschreiben, sondern sie auch mit anderen zu teilen und dafĂŒr eine großartige und wertschĂ€tzende Umgebung hier gefunden.

Viele Jahre habe ich kreative Menschen beneidet. Aber ich, ich hatte doch wirklich kein Talent fĂŒr solche Dinge. Um es auszuprobieren, fehlte oft der Mut. Eine leere Leinwand kann einem genau so viel Unbehagen bereiten wie eine leere Seite Papier, die mit Buchstaben, Worten und Leben gefĂŒllt werden will. Im letzten Jahr habe ich mich dann endlich zum ersten Mal fĂŒr einen Online Malkurs angemeldet. Von da an malte ich. Ein paar Monate und zahlreiche Bilder spĂ€ter weiß ich nun, dass man sich nur trauen muss anzufangen und merke, wie viel Freude und positive Energie ich aus dem Malen schöpfen kann.

Manchmal muss man wohl ĂŒber seinen eigenen Schatten springen. Es darf ja auch einmal etwas mit Bomben und Granaten daneben gehen. Meist ist man ja trotzdem froh, es wenigstens versucht zu haben. Zumindest, wenn ein bisschen Gras ĂŒber die Sache gewachsen ist. Vor vielen Jahren habe ich meinem damaligen, heimlichen Schwarm ein LiebesgestĂ€ndnis gemacht. Seine Antwort war: Danke! Da das zugegebenermaßen nicht die erhoffte Reaktion war, folgten TrĂ€nen, Selbstzweifel und Reue, ĂŒberhaupt etwas gesagt zu haben. Heute kann ich darĂŒber lachen und muss mich zumindest nicht fragen, ob da nicht vielleicht doch eventuell möglichweise mehr hĂ€tte sein können.

In meinem Kopf habe ich jedenfalls schon unzĂ€hlige PlĂ€ne fĂŒr weitere erste Male. Nein, keine LiebeserklĂ€rungen. Wobei – alles Neue und Schöne, das man fĂŒr sich entdeckt, ist ja auch irgendwie eine LiebeserklĂ€rung an sich selbst und an das Leben.

© Marianne Frank 2021-05-01

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