von Beate Schilcher
Tantchen hat ein neues Ding. Es ist von Beruf Zählmeister und sitzt zu Füßen des Fernsehsessels. Das Ding zählt Kalorien und Schritte, Buchhaltung für den Leib quasi. Sowas braucht eine fitte pensionierte Sportlehrerin offenbar. Das Ding versagt allerdings kläglich dabei, Tantchens Gewicht zu reduzieren. Nicht, dass sie das nötig hätte, wirklich nicht. Aber mit irgendwas muss sich der Mensch ja beschäftigen.
Apropos, unlängst ist es mir tatsächlich gelungen, Tantchens Laptop zu zerstören. Ihr Google hatte ich ja schon kaputtgemacht, nun war die Hardware dran. Kaum war ich auf YouTube, wurde auch schon der Bildschirm schwarz. Kein Surren, kein Pieps war mehr zu hören. Mausetot. Wie die Held*innen in Tantchens neuem Lieblingsprogramm: „Was Leichen verraten“. Bloß, dass dieser Laptop nichts mehr verraten hat. Ein klarer Fall für „Verbrechen unterm Mikroskop“. Ich bin daher sicherheitshalber abgereist.
Ich möchte das wirklich einmal laut sagen: Der Einfallsreichtum von Programmerfinder*innen ringt mir Bewunderung ab. Voller Service von der Wiege bis zur Bahre, und darüberhinaus: Teenager, die Mütter werden, Supermodels, Gemeindebauten, Bares für Rares und zuletzt: „Geheimnisse aus der Gerichtsmedizin“. Daseinsvorsorge nennt man das wohl. Tantchen genießt jedenfalls das mörderische Entertainment mit glänzenden Augen und schläft danach wie ein Baby. Sie kann nicht von dieser Welt sein.
Der Laptop-Mord war mir peinlich. Tantchen hatte auch noch die Güte mich nicht zu beschimpfen, was ich ihr hoch und ewig anrechne. Umtriebig, wie sie ist, hat sie die Laptopleiche dann, ausgerechnet, in einen Handy-Shop getragen und sie einem mehr als verdächtig wirkenden Reanimateur übergeben. Nun surrt das Ding wieder. Mir ist das nicht ganz geheuer. Ich vermute, es ist jetzt ein Zombie. Nie wieder rühre ich es an, versprochen. Ich habe keine Lust auf einen Gastauftritt in „Die Handschrift des Täters“.
Aufzuklären ist auch noch ein neuer mysteriöser Auffindungsfall. Tantchen hat im Gästezimmer beim Abstauben hoch oben am Schrank ein Buch gefunden. Ich kenne es nicht, doch Stein auf Bein insistiert sie, es sei meines. Sie habe es jedenfalls nicht gekauft, und sonst sei keiner im Gästezimmer gewesen. Wir hatten so etwas schon einmal. Eine Haarspange, die unbedingt mir gehört haben soll. Hat sie nicht. Doch Tantchen war so lange lästig, bis ich das Ding mitgenommen habe, damit Ruhe ist. Monate später hat sie aufgeklärt, dass es ihrer Nichte in Neuseeland gehört. Womöglich haben sie ihre Lieblingsprogramme auf die richtige Spur gebracht. Fernsehen bildet ja.
Eine gute Tat hat das tolle Tantchen auch wieder vollbracht. Gestern, am Weltfrauentag. Sie war einkaufen und hat sich einen schönen Tulpenstrauß gegönnt. An der Kassa hat sie den dann spontan der Kassiererin geschenkt.
Gäbe es sie nicht schon, man müsste Tantchen glatt erfinden. Ich nominiere sie jetzt jedenfalls für den alternativen Friedensnobelpreis.
© Beate Schilcher 2022-03-09