Recht tapfer bin ich als junge Frau nicht. Wenn ich es mit Geistern zu tun habe, bin ich hellhörig, und befinde mich in Alarmbereitschaft. Alle Haare stellen sich auf, wie kleine Antennen. So ergeht es mir immer, wenn ich für meine Schwiegermutter am Dachboden des wunderschönen alten Erbhauses Wäsche aufhängen muss. Ich bin noch unerfahren im Umgang mit bedrohlichen Energien, und diese finden Gefallen darin, mich einzuschüchtern. Mit der Geburt meiner Kinder verliere ich allmählich die Angst vor dem Dachboden und seiner unwirklichen Bedrängnis.
Eines späten Nachmittags hören wir ohrenbetäubenden Lärm. Ich stürze auf den Balkon unseres Spielzimmers, und sehe einen wendigen, tieffliegenden Hubschrauber, der direkt über unserem Innenhof kreist. Aus der offenen Tür ruft ein Mann durch ein Megaphon. Es habe sich gerade im Dorf ein Banküberfall erreignet, der Täter sei zufuß ganz in unsere Nähe geflüchtet. Er sei bewaffnet, es bestehe die Gefahr einer Geiselnahme mit Entwendung eines Fluchtfahrzeugs. Ich solle unseren Pkw sofort innerhalb der Hofbegrenzung abstellen, das Mauertor abschließen und mich anschließend in eine sichere Stelle des Hauses zurückziehen. Unglaublich, so eine Situation hab ich noch nicht erlebt! Ich bin damals allein mit meinen beiden Kindern auf dem gesamten Hofgelände, was der Räuber vielleicht – oder glücklicherweise – nicht weiß. Diese Bedrohung ist real.
Ganz Organisatorin, erledige ich unter der Aufsicht des kreisenden Hubschraubers alles von außen nach innen gehend, schließe die beiden schweren Eingangstüren, Fenster- und Balkontüren. Räume alle wichtigen Gegenstände, sowie Matratzen und Bettzeug für mich und meine Kinder in einen kleinen Raum mit Wasserversorgung und Ausguss, der obendrein absperrbar ist. Leider befindet sich das fix montierte einzige Telephon in dem langen und breiten Korridor, so muss ich die Anrufe noch vorher erledigen.
Ich agiere kühl und besonnen, nicht vor Furcht gelähmt, was meine These bestätigt, dass sich Ängste mit Geburt und Nachsorge von Kindern minimieren. Wir schlafen sogar ganz gut auf unseren Bodenbetten. Als ich in der Früh aufwache, scheint die Sonne, vom Bankräuber keine Spur, sie konnten seiner schließlich habhaft werden, wie sie mich informieren. Ein mutiger Gendarm hatte ihn zu Fuß über diese schmalen Steige und Wege verfolgt und gestellt. Eine wirkliche Gefahr war gebannt.
Nach vielen Jahren wohne ich nun ganz heimelig in einem heimlichen Haus. Bevölkert, nicht so abgelegen, und seine Geistwesen sind zahm und mir gewogen.
© Barbara Riccabona 2021-03-04