von Araldo Campana
“Verdammt, das zieht!” Ich kannte das Gefühl, hatte es schon einige Male. A geeh! Irgendwo beim linken Schulterblatt ging es aus und fuhr den Rücken hoch, dass ich den Kopf nur noch unter Schmerzen bewegen konnte: Hexenschuss!
Und gerade heute hatten wir mit den Enkelkindern etwas ausgemacht, wir wollten zu einem Waldspielplatz fahren. Da würde wohl auch der Voltadol Werbungshund nichts mehr bringen, wenn er mit der Schmerzsalbe im Maul angetrabt käme. Das ging tiefer, hier musste ich mit härteren Geschützen ran. Ibumetin wäre definitiv zu schwach, ich griff zu einer Naprobene 500. Gleich darauf fuhren wir los, die Kiddies holen.
Das Schmerzmittel bescherte mir nur einen Wattekopf, der Hexenschuss zeigte sich davon relativ unbeeindruckt. Ich merkte, dass ich immer starrer werde. Mir fiel ein Kollege vom Rotkreuz ein, der mal etwas von einem perfekten Hexenschussmedikament erzählt hatte. Wie hieß das noch gleich? Ich schrieb ihm eine Whatsapp.
Inzwischen hatten wir die Kids im Auto und vom Rotkreuzmann wusste ich, was ich in meiner Not brauchte: Norgesic, zwei am Morgen, zwei am Abend, drei Tage lang. Auf dem Weg zum Spielplatz fuhren wir an einer Apotheke vorbei. Ungelenk wie eine Holzmarionette erschien ich am Verkaufstresen und äußerte meinen Wunsch, doch ohne Rezept ging da gar nichts. Die Ordination meines Hausarztes hatte seit 5 Minuten geschlossen.
“Ja passt, ich faxe es an die Apotheke”, beruhigte mich die Sprechstundenhilfe und fünf Minuten später saß ich mit schiefem Hals und einer Tablettenschachtel wieder im Auto.
Während die Kinder in einer Waldküche Fichtenzapfen mit Moos und Farn kochten, las ich die Packungsbeilage. Keine so gute Idee! Als häufige Nebenwirkungen werden Schluck- und Sprachstörungen, Beeinträchtigung des Denkvermögens, Sehstörungen und weitere unerfreuliche Phänomene genannt. Diese Wirkungen würden jeden zehnten Patienten treffen!
Am ersten Tag nahm ich nur eine Tablette, die half tatsächlich, es wurde langsam besser. Am Tag darauf warf ich mir, der Dosierung folgend, zwei Tabletten in den Schlund. Eine Stunde später hatte ich ein Treffen mit meinem Chef. Während des Gesprächs trat mir der Schweiß aus den Poren und ich konnte mich schwer konzentrieren. Ich fühlte mich wie von einem LKW überfahren und stand völlig neben mir. Außer sich sein, einmal anders!
Wie ich dann mit dem Rad nach Hause kam, weiß ich heute nicht mehr, nur an eines erinnere ich mich. In unserem Stiegenhaus hat mein Vater ein ausgestopftes Murmeltier aufgestellt. Als ich an dem Vieh vorbei ging, hatte ich das Gefühl, dass es sich bewegt. Fehlte nur noch, dass es sich aufrichtete und pfiff. Alter Schwede, was für ein krasses Medikament! Die restlichen Tabletten blieben dann in der Schachtel. Dort bleiben sie so lange, bis ich wieder mal das Murmeltier zum Leben erwecken möchte ;-)
© Araldo Campana 2021-09-29