von Klaus Schedler
Endlich wieder Sonnenschein. Da stand er, der Uralt-Traktor, in der noch feuchten Wiese. Ein Nachkriegs-Modell im Auslieferungs-Zustand. Lediglich Beleuchtung und Blinkanlage waren nachträglich eingebaut worden, jedoch kein elektrischer Starter. Nach zwei Tagen im Regen würde es schwierig werden, ihn wieder „in die Gänge“ zu bekommen. Ich griff mir die am Getriebeblock liegende Kurbel und führte sie in die linke seitliche Öffnung der Kurbelwelle ein. Dort hinter einer Verkleidung befand sich die Riemenverbindung zum Schaltgetriebe, während sich auf der anderen Seite der Welle ein massiges Schwungrad mit ca 70 cm Durchmesser und eine Riemenscheibe zum Betrieb stationärer Arbeitsmaschinen befand.
Es war ein „Allgaier Kaelble“ nicht unähnlich dem bekannteren „Lanz-Bulldog“. Ein liegender Einzylinder-Glühkolbenmotor unter einem gusseiserenen Kühlwasserbehälter und einem dahinterliegenden Dieseltank. Dann rechts ein Saugrohr und links der Auspuff. Es war eben alles genau so, wie wir es im Physikunterricht gelernt hatten. Ich war damals gerade mal 15 Jahre alt und verbrachte so, wie des Öfteren ein paar Wochen meiner Sommerferien bei einem alten Bauern im Allgäu, um ihm bei der Heuernte zu helfen. Sicher war er mehr als doppelt so alt, wie sein Traktor.
Obwohl ein Schüler war ich mit dem Anwerfen des Motors vertraut, bewegte die Kurbel langsam vom leisen Seufzen und Stöhnen der Maschine begleitet bis zum Kompressionstakt. Dort drückte ich federnd dagegen und ließ die Kurbel nun soweit wie möglich sich zurückdrehen, um so genügend Schwung zusammenbringen zu können. „Låss des nå“ meinte der Bauer, „Woi so wirscht de iëtza nia net zsåmmbringa.“
Dann aber begann er wild zu fluchen, weil er feststellte, dass er das „Zündfix“ daheim in der Werkstatt liegen gelassen hatte. (…)
Noch ein böser Fluch und nun machte er sich vorn am Zylinderkopf zu schaffen: Er werde den Dekompressionshebel drücken und ich solle 5 Umdrehungen machen und danach käme dann der Arbeitstakt. „Auffe, gemmås an: Ois -, zwa-, drai,-, vuüü uuuuuuuund fünf“ Der Traktor begleitete die Fünf lediglich mit einem lauten „Uff – zzzzk zzzk!“. Ich jedoch war schon leicht angeschlagen . „Nochamål gemma: Ois- zwa- …. „ und wieder nur ein „Uff – zzk zzzk“. Nach acht Durchgängen war ich vollkommen geschafft und ließ mich erschöpft ins feuchte Gras fallen. „Hast ja Recht“ meinte der Bauer und zündete seine Pfeife nach. Beim nächsten Mal aber winkte uns schon das Glück der Tüchtigen: Anstelle des „Uff“ kam nun das ersehnte erste „Tok“, gefolgt von einem weiteren, kräftigeren „TOK“ und schon bald ertönte das regelmäßig und schneller werdende „TOK-TOK-TOK-TOK- …“ Der Bauer eilte zum Handgas-Hebel zwischen Tank und rechtem Kotflügel und drückte ihn nach vorn. Die Arbeit konnte beginnen.
„Du, Bauer, Du könntest auch so ein Ventil gebrauchen“ sagte ich bei der Brotzeit zu ihm. „Wia månst‘n des?“ wollte er wissen. „Weil Du nicht immer so viel fluchen sollst!“
© Klaus Schedler 2019-05-03