von Ulrike Sammer
Die Anhängerinnen und Anhänger des Okkultismus rund um die Jahrhundertwende waren auf der Suche nach den verborgenen Seiten der Wirklichkeit. Schon Kaiserin Sisi versuchte, Tote zu beschwören. Sie suchte den Kontakt zu Heinrich Heine.
Okkult bedeutet „geheim, verborgen“. Der Begriff kommt aus dem Mittelalter, als man sich etwa mit okkulten Wissenschaften wie Alchemie beschäftigt hat. Der Spiritismus befasste sich jedoch vor allem mit dem Jenseits. Seine Anhängerinnen und Anhänger versuchten in Séancen Kontakt mit Toten und Geistern. aufzunehmen. Außerdem hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit unerklärlichen, „übersinnlichen“ Phänomenen begonnen, Stichwort Parapsychologie.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs boomte der Okkultismus regelrecht, sogenannte „Medien“ tauchten in ganz Österreich auf. Mit der Leichtgläubigkeit der Menschen hat man bekanntlich schon immer viel Geld verdienen können. Wer sich geschickt anstellte, konnte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts als spiritistisches Medium Zugang zu den höchsten Kreisen Europas und Amerikas verschaffen. Der Okkultismus war groß in Mode und schlug Millionen Menschen in seinen Bann. In bürgerlichen Salons und Adelspalais traf man einander zu unheimlichen Seancen und Geisterbeschwörungen. Kronprinz Rudolf schrieb 1882, dass ein großer Teil der Wiener und auch der hiesigen Aristokraten sich sehr für Spiritismus interessieren.
Nun ein paar Worte über meinen persönlichen, genau genommen familiären, Bezug: Meine Tante Emmi war meine Firmpatin. Sie legte sehr viel Wert auf ein elegantes Erscheinungsbild. Immerhin war sie die Ehefrau eines Oberst und hatte daher zu repräsentieren. Ihr Mann Ferry war nicht nur ein sehr fescher Mann (wie ich auf Fotos sah), sondern hatte auch einen besonders aufrechten Charakter. In Wien ist eine Kaserne nach ihm benannt und eine marmorne Gedenktafel in der Stiftskirche erinnert an ihn. Die Tafel trägt die Inschrift:
Zum Gedenken an Franz Heckenast, Oberst des österr. Bundesheeres.
Er starb als Opfer seines katholischen Glaubens am 15. 2. 1939 im Konzentrationslager Buchenwald in Thüringen
In einem Aufsehen erregenden Prozess stellte er sich gegen die Nazis, wurde ins KZ Buchenwald deportiert und dort erschlagen.Tante Emmi konnte den Verlust niemals verwinden. Sie nahm mit spiritistischen Zirkeln Kontakt auf und versuchte mit „Ferry“ zu kommunizieren. Sie befasste sich hauptsächlich mit Tischerlrücken, aber alles blieb ein großes Geheimnis. Jedenfalls mir gegenüber. Mein Bruder konnte sich nur dunkel an eine Begebenheit erinnern, die ihm zu Ohren kam. Bei einer „Anrufung“ und der Frage, ob der Gewünschte anwesend sei, hörte man plötzlich hinkende Schritte, die so charakteristisch waren, dass man sie eindeutig zuordnen konnte. Es war erwiesen, dass sich in der Wohnung sonst niemand befand.
© Ulrike Sammer 2024-11-21