von ArevdeGryps
Alle mögen Weihnachten.
Jedenfalls dachte ich das immer. Wenn es im ganzen Haus nach selbstgebackenen Plätzchen, nach Bienenwachs und Tannennadeln duftete. Wenn die Lehrerin in der Schule eine Weihnachtsgeschichte vorlas, während wir Scherenschnitte mit Transparentpapier bastelten, durch die das Licht so schön schimmerte wie durch ein Kirchenfenster. Wenn wir Wunschzettel schrieben und uns kaum zwischen den vielen schönen Dingen entscheiden konnten. Wenn wir auf den Weihnachtsmarkt gingen, wo wir gebrannte Mandeln, Zuckerwatte und Liebesäpfel aßen, bis uns die Zähne wehtaten, dann auf das Kinderkaurussel mit den altmodischen kleinen Wagen stiegen und anschließend zur Losbude gingen. Eigentlich gewannen wir dort immer nur billiges Plastikspielzeug, das nach ein paar Tagen unter irgendeinem Schrank verschwand und nie mehr gesehen wurde. Aber es war Tradition.
Weihnachten ist ein Fest, das alle zusammen feiern. Man bekommt nicht nur Geschenke, sondern man denkt sich auch selbst welche aus. Man kann sich die Freude ausmalen, die der Beschenkte haben wird und das ist genauso schön, wie selbst Geschenke zu bekommen. Doch gleichzeitig war dort auch die Sorge, ob das Geschenk dem anderen gefallen würde. Die Enttäuschung, wenn die Freude doch wieder nicht so groß war, wie man es gehofft hatte und das mühsam Gebastelte irgendwo zwischen den anderen Dingen verschwand. Und die leise Frage, ob es sich überhaupt lohnte, sich Mühe zu geben, denn eigentlich war ein Geschenk nie gut genug. Vielleicht hätte man es auch einfach sein lassen können. Mir war damals nicht klar, dass es gar nicht an dem Geschenk lag, sondern daran, dass es sich um ein Weihnachtsgeschenk handelte.
Weihnachtsgeschenke sind welche, über die man sich freuen muss. Weihnachten ist eine Zeit, zu der man fröhlich sein muss. Alles muss harmonisch und friedlich sein und ist es das nicht, merkt man es umso mehr. An Weihnachten merkt man am allermeisten, in welchen Familien es Probleme gibt. Sie stehen wie auf einem Präsentierteller. Alle fahren Weihnachten zu ihren Eltern, nur diese eine Person nicht. Alle beschenken sich, nur dort wird nichts mehr geschenkt. Und selbst wenn man den Schein aufrecht erhält, immer besteht die Gefahr, doch auf diesem Teller zu landen. Wie die Weihnachtsgans, auf die alle sich stürzen, um ihr die Federn auszurupfen. Wir als Kinder brauchten nicht so zu tun, als würden wir uns über Weihnachtsgeschenke freuen. Und falls uns eins doch mal nicht gefiel, taten wir auch gar nicht so, als würden wir uns freuen. Aber das war auch einfach, denn diese Geschenke kamen meist von entfernten Verwandten, die wir kaum kannten. Unsere Eltern kannten unsere Wunschzettel und wir bekamen das, was wir wollten.
Weihnachten kann schön sein. Wenn man es für alle schön macht und alle bereit sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen und auf die Wünsche anderer einzugehen. Vielleicht ist das das perfekte Geschenk.
© ArevdeGryps 2021-12-13