Das Rehlein

Hanspeter Gsell

von Hanspeter Gsell

Story

„Wild“ ist ja eigentlich ein Sammelbegriff für jagdbare Tiere. Deshalb fallen nicht nur Rehe, Hirsche und Wildsauen darunter, sondern im Prinzip auch Steinbeißer. Da eine Aufzählung sämtlicher Wildgerichte somit nicht infrage kommt, befassen wir uns heute ausschliesslich mit dem Reh, oder mit dem was viele Menschen darunter verstehen. Als ich letzthin einer Bekannten von meiner Vorliebe für Rehrücken erzählte, wollte sie gleich in Tränen ausbrechen. „Wie kannst du nur so ein herziges Bambi verspeisen – und du willst Gourmet sein – pfui!“ Bevor sie sich auf mich stürzen konnte, gelang es mir, sie zu beruhigen. Denn beim herzigen Disney-Bambi handelt es sich mitnichten um ein Rehlein. Da Rehe in Amerika unbekannt waren, behalfen sich die Zeichner des Trickfilms mit dem Bild eines Weisswedelhirsches. Um die Verwirrung noch grösser zu machen, wurde das Vieh bei der Übersetzung ins Deutsche „Reh“ genannt. In gewissen Kreisen nennt man den Weisswedelhirsch deshalb auch „Synchronfassungs-Reh“.

Sollten sie demnächst vor einem Rehrücken „Diana“ („Die wie das Licht Glänzende“) sitzen, greifen sie ungeniert und lustvoll zu. Entgegen der Meinung von A. aus B. wurde diese Zubereitungsart weder von Diana Ross („The Supremes“) noch von Lady Diana („The Royals“) erfunden. Bei der Namensgeberin handelt sich vielmehr um eine römische Göttin gleichen Namens, die je nach Wunsch für den Mond, für die Fruchtbarkeit oder für die Jagd – auch auf Synchronfassungsrehe – zuständig war.

(Foto: Matthew Schwartz, unsplash)

© Hanspeter Gsell 2021-06-19

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