In der Wochenend-Ausgabe der regionalen Zeitung entdeckte meine Mutter einen Aufruf, die schönste Liebesgeschichte in 100 Wörter zu packen. Wie wenig Platz an dieser Stelle dem größten aller Gefühle eingeräumt wird, überraschte mich. Aber es scheint wie mit so vielem im Leben zu sein – man kann es entweder kurz und knackig halten oder aber in blühenden Farben ausschmücken. Nachdem ich es gerne bunt mag, nutze ich die zumindest hier zur Verfügung stehenden Zeichen, um die Liebesgeschichte meiner Eltern etwas umfassender zu erzählen.
Wenn das Leben wie eine Schachtel Pralinen ist, dann ist die Liebe wohl wie ein duftendes Curry. Jede Familie hat ihre ganz seine eigene Gewürzmischung und ein gut gehütetes Geheimrezept. Und obwohl meine Eltern lieber Gulasch als Curry essen, erscheint dieser Vergleich auf ihre 43 Jahre andauernde Ehe bezogen als durchaus vortrefflich. Es trug sich in der Silvesternacht des Jahres 1976 zu, dass einander in der örtlichen Diskothek begegneten: Mein Vater, seines Zeichens ein blutjunger John Travolta und unangefochtener König der Tanzfläche. Meine Mutter, ein innovativer Yogini-Geist mit Esprit und heißem „Fahrgestell“. Wie es der göttliche Funke und wohl auch das eine oder andere Rüscherl so wollten, lernten sie sich in jener magischen Nacht kennen und lieben. Sie heirateten im Jahr darauf und tauschten die flotte Sohle gegen Arbeits- und Hausschuhe ein. Ihre Verbundenheit trug Früchte und so stellte sich der Kindersegen bereits kurz danach ein. Zwei entzückende Töchter, die Finanzierung des Eigenheims und erste Herausforderungen folgten auf den Fuß. Für den Zauber der taufrischen Liebe blieb angesichts finanzieller Themen, gesundheitlichen Tiefschlägen und Herausforderungen in den Ursprungsfamilien wenig Raum. Die Last der Verantwortung in so jungen Jahren gepaart mit einem Workload, den heute wohl die wenigstens von uns stemmen würden, wog schwer. Höhen und Tiefen wechselten einander ab und als einige Jahre später mein Bruder und wenig später auch noch meine Nichte das Licht der Welt erblickten, begann sich das Rad erneut zu drehen. Bei drei Kindern gehen einem die Sorgen ja nie zur Gänze aus. Und dennoch kann ich mich an keine Situation erinnern, in der ich das Gefühl gehabt hätte, mich nicht zumindest auf die elterliche Stabilität verlassen zu können. Trotz aller Widrigkeiten haben sie an ihrer tiefen Zuneigung und ihrem JA-Wort festgehalten. Dafür bin ich unendlich dankbar und verbuche diesen wundervollen Umstand, in einer intakten Familie aufgewachsen zu sein, auf der Sonnenseite meines Daseins.
Nach nunmehr 43 Jahren sind sie nun verheiratet und auch heute noch trinken sie Kaffee aus einer Tasse, meistern jegliche Herausforderung mit vereinten Kräften und tanzen – obgleich der etwas müder gewordenen Glieder – beschwingt durchs Leben. Wahre Liebe hat kein Mindesthaltbarkeitsdatum, wenn man sie richtig zubereitet und immer wieder würzt.
© Elisabetta_Ardore 2021-02-23