von Hermann Karosser
Ich fĂŒhle mich einfach nicht alt, zumindest nicht so alt wie mein biologisches Alter es mir hin und wieder signalisiert. Wenn allerdings unsere Enkelkinder bei uns sind und durch ihre tollen, neugierigen Fragen uns zwangslĂ€ufig mit dem âWas ist was?â des Lebens konfrontieren, frage ich mich oft: âAus welcher Zeit komme ich eigentlich? Kann sich das Alles so schnell verĂ€ndert haben?â
Beispiel: Fotografie. âDas ist doch ganz einfach Opa, da nimmst du dein Handy, öffnest die Kamera-App, schaust das Bild auf dem Display an und berĂŒhrst den Auslösebutton, fertig. Und wenn duâs spĂ€ter anschauen willst, gehst du in die Cloud, wo du alle deine Bilder abgespeichert und gesichert findestâ. Ja, so einfach ist das heutzutage. âWeiĂt du, mein Lieber, dass vor 20 Jahren noch kaum einer ein Handy hatte, dass es 10 Jahre davor noch nicht mal ein solches fĂŒr den Privatgebrauch gegeben hat und, dass fotografieren frĂŒher ganz anders gegangen ist?â âNein, wie denn?â
Noch ist es beim Alter der Enkel ein wenig schwer, zu erklĂ€ren, wie das war, mit dem Film, dem belichten, dem entwickeln lassen und den AbzĂŒgen, aber irgendwann werde ich ihnen genau erzĂ€hlen, wie die analogen Bilder damals entstanden sind.
Wieder einmal muss ich einfach die Vielfalt meiner Internatserziehung loben, denn ich glaube nicht, dass ich ohne dieses Leben auf dem Gartlberg jemals die Gelegenheit bekommen hÀtte, in einer DUNKELKAMMER zu arbeiten.
Ganz oben im Dachgeschoss des Neubaus gab es eine winzige Kammer mit nur einem kleinen Dachfenster zur Belichtung. Ein Abstellraum, eine andere Nutzung war dafĂŒr nicht vorgesehen. Aber wir hatten eine Idee und der Heimleiter lieĂ sich schnell davon ĂŒberzeugen, dass wir dort eine Dunkelkammer unterbringen könnten, klein, aber oho. Er selbst besorgte uns ein VergröĂerungsgerĂ€t, das KernstĂŒck jeden Fotolabors, eine Belichtungsuhr, eine VergröĂerungskassette und weitere notwendige AusstattungsgegenstĂ€nde, nicht zu vergessen, das unbedingt notwendige Rotlicht einer Dunkelkammerlampe.
Nachdem wir den Raum gegen jeglichen Lichteinfall abgedichtet und alle GerĂ€tschaften installiert hatten, war der erste konkrete Schritt, die BĂ€der mit den Chemikalien anzurĂŒhren. Dann kam der Film in den Projektor, scharf eingestellt, Fotopapier auf die Kassette und bei Blende 11 zehn Sekunden lang belichtet. Schon in der Entwicklerlösung verfĂ€rbte sich das Fotopapier und man konnte wunderbar beobachten, wie aus dem Nichts ein Bild zum Vorschein kam. Dann folgte das ZwischenwĂ€sserungsbad, schlieĂlich die Fixierlösung und nach ein paar Minuten konnten wir das Licht einschalten und unser Werk betrachten. Am Anfang waren die Ergebnisse noch manchmal enttĂ€uschend, aber wir lernten schnell und bald waren AbzĂŒge bis zum Format 30 Ă 40 cm kein Problem mehr.
Heute koste ich die Vorteile der digitalen Fotografie voll aus, ob mit Handy oder Kamera, aber meine Stunden unterm eigenen Rotlicht wĂŒrde ich keinesfalls missen wollen.
© Hermann Karosser 2021-02-08