Das Schaf im Wolfspelz

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Zwei Kriminalbeamte stehen unauffällig vor dem Bahnhof und taxieren die Situation. Ein junger Mann mit schwarzem Aktenkoffer fällt ihnen auf, der ohne besonders auf den Verkehr zu achten über die dicht befahrene Straße eilt. Instinkt sagt ihnen blitzartig, da stimmt was nicht. Sportlicher Typ mit längerem Haar, Sonnenbrille, leger gekleidet, wozu braucht der einen Aktenkoffer. Sie nehmen die Verfolgung auf.

Der junge Mann verschwindet rasch in einer Passage, sie hetzen ihm nach. In einem freien Atrium haben sie ihn eingeholt. Ein Beamter überholt ihn und stoppt ihn mit dem Wort „Kriminalpolizei!“ Der junge Mann antwortet überrascht: „Nein, ich bin nicht von der Kriminalpolizei!“

Diese Antwort ist ja skurril, denkt sich der Beamte und reagiert: „Aber wir sind die Kriminalpolizei, Drogenfahndung!“ Jetzt erst nimmt der Typ den zweiten Polizisten wahr. Der Typ schaut ohnehin etwas langsam, Silberblick, verengte Pupillen. Einen gefährlichen Eindruck macht er aber nicht.

„Dürfen wir in den Koffer schauen?“, stellt der erste Kriminalbeamte die rein rhetorische Frage. Der junge Mann hantiert umständlich bei den Schlössern und lässt sie aufschnappen. Ein paar Pläne, eine Rolle Skizzenpapier, Bleistifte, Taschenrechner. Der Beamte tastet noch das Seitenfach ab: Nichts! „Warum haben sie es so eilig?“ „Ich habe es immer eilig!“ Verfolgter und Verfolger grinsen erleichtert.

Das war nicht die einzige Situation, wo ich Kriminalbeamten suspekt erschienen bin. Ich erinnere mich an einen Vorfall am Bahnhof Salzburg. Ich wollte nach Paris, mein Freund Hans begleitete mich bis auf den Bahnsteig, wir waren früh genug dran. Hans hatte mir zuvor ein paar Brocken Französisch beigebracht, unbeschwert blödelten wir Deutsch-Französisch über den Vermerk Zoll am Fahrplan. Der Mann mit Staubmantel und Hut neben uns fand das nicht lustig, er machte sich plusternd bemerkbar, zückte eine Polizeimarke und fragt, was in der Reisetasche sei. „Nichts“ ließ er nicht gelten. Auf einer Bank legte ich meine Habseligkeiten auf, der Griff in die Seitenfächer folgte. Nach Passkontrolle beendete der Mann die Amtshandlung mit einem: „Ein bisschen aufpassen, was du redest, junger Mann!“

In mir dürfte etwas schlummern, was mich der Obrigkeit suspekt erscheinen lässt. In Linz hatte ich am helllichten Tag eine Verkehrskontrolle mit allem Drum und Dran: Führerschein, Zulassung, Aussteigen, Warndreieck, Verbandsmaterial. Ich war nicht aufgeregt, bei Amtshandlungen bin ich immer sehr ruhig. „Haben sie Alkohol getrunken?“ Natürlich nicht. „Blasen“ war für mich kein Problem. Ich blieb weiterhin ruhig. Dann war die Amtshandlung zu Ende, ich war den Beamten offensichtlich zu ruhig gewesen, sodass mich einer fragte: „Sind Sie müde? Sollen wir Sie nach Hause bringen? Freut sie das Autofahren nicht?“ „Doch, ich fahre sehr gerne mit dem Auto!“ „Na, dann gute Fahrt!“

Wie sagt doch ein alter Spruch: „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen!“

© Gerhard Maier 2021-02-19

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