von MISERANDVS
Vieler Diskussionen bedarf es, und manch eine davon wird stürmisch geführt, kämpferisch direkt, und eine endet sogar damit, dass ich – bis aufs Blut gekränkt – nicht mehr mit ihr sprechen will für eine Weile, weil sie nicht begreift: Ich bin Steirer, und das bin ich aus ganzem Herzen. Und genau dort trifft es mich, als sie irgendwann im Wortesturm sagt: “Mir doch scheißegal.” Was sie damit meint, ist, dass sie damit nichts anzufangen weiß. Mit Herkunft und Nationalität, mit Ländergrenzen, Linien auf alten Karten um einen Flecken Erde. Doch, was ich höre, ist: “Du bist mir egal. Was du bist. Wer du bist. Scheißegal genaugenommen sogar.”
Mehr als Zufall ist es nicht, dass auf meiner Landesflagge ein Panther Wappentier ist. Ich hätt‘ genauso gut ein Salzburger werden können. Technisch bin ich das gebürtig sogar, weil sie mich zum Lichterblicken in meiner Mutti zu den benachbarten “Stierwoschern” gekarrt haben. Da dies allerdings rein rechtlich lediglich eine kurzzeitige Verbringung ohne meine ausdrückliche Zustimmung war, zählt das nicht, und ich bin Steirer. Ein bisschen weiter südlich geboren, in Süd-Süd-Süd-Italien beispielsweise, wär ich heut womöglich Kongolese. Ist auch nichts Schlechtes per se. Vermutlich hat der liebe Gott sich aber bei meiner Erschaffung gedacht: “Ey, den Riesenlackel schwarz anzumalen, das ist mir zu mühsam, und schwarze Farb‘ ist teuer!”, und hat mich – farblich kostengünstig abgestimmt – in die Alpen gepflanzt. Was auch der Grund gewesen sein mag – Ich bin ganz froh darüber. Und ich bin stolz drauf. Auf … naja, nix. Weil Steirer sein, ist keine Leistung. Wohingegen, … Steirer zu SEIN mit Herz und Seele schon. Verantwortung bedeutet das, weil man die Steiermark auf der ganzen Welt kennt. Die Schönheit der Gegend, die Reinheit der Natur, die Spiritualität der Erde, die man überall spürt… Das alles erwartet man dann auch von dem Steirer selbst. Viel Bürde, selbst für ein paar ziemlich breite Schultern und einen festen Sturschädel darüber.
Lange Wochen gehen dahin, und ich sprech es nicht mehr an. Weil’s egal ist – für sie. Nicht für mich. Der Mantel des Schweigens fällt auf mein grünes Herz. Bis… Ja, bis zu jenem Moment, als sie sich an mich schmiegt und ich mit meiner riesigen Pranke sanftwarm über ihre makellose Haut streiche. Sie sieht mich an, und ich frage schmunzelnd: “Was denn?” Sie spielt schweigend mit den Fingern auf meiner Brust, sagt schließlich lächelnd: “Es ist sehr schön mit dir. Und du tust mir so gut, weißt du?” “Ah ja?”, frage ich, sanft lächelnd. “Mh-Hm.”, macht sie, und sie küsst mich, schaut mir lang und tief in die Augen, sagt: “Ich hab dich lieb, du…” Für gewöhnlich kreierte sie nun ein Wort, einen herrlichen Neologismus aus dem Stegreif, sanft, verspielt, Ausdruck ihres Empfindens. Doch diesmal sagt sie: “… du wunderbarer Steirer, du.”
Und da bin ich glücklich. Denn sowas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.
© MISERANDVS 2022-03-20