von Nathan Lippmann
Ticktack, die Uhr tickt unerbittlich, ein ständiger Begleiter in der Stille der Nacht. Ich werfe einen Blick auf das Ziffernblatt – es ist gerade Mitternacht. Wieder versuche ich, in die Arme des Schlafes zu gleiten, doch ich liege wach, gefangen in einem Netz aus Gedanken. Sie umschlingen mich wie die Schatten der Dunkelheit, die mich umgeben. Diese Gedanken verwandeln sich in lebendige Bilder und Geräusche, die ich lieber aus meinem Gedächtnis verbannen würde, doch sie verweilen, wie ein ruheloser Geist an seinem verfluchten Ort. So bin ich gefangen in einem Labyrinth aus düsteren Gedanken.
Ticktack, der Blick zur Uhr verrät es: Es ist 1 Uhr nachts und der Schlaf bleibt mir wie ein scheues Tier fern. So unerreichbar wie das rettende Ufer für ein Schiff, das in den endlosen Weiten des Ozeans sinkt. Meine verzweifelten SOS-Rufe hallen ins Nichts, verschwinden im Sturm – einem Sturm, der in mir tobt, wild und unbändig wie ein Hurrikan. Doch ich halte stand auf dem sinkenden Schiff, während die Wellen der Verzweiflung unbarmherzig gegen mein Gesicht schlagen.
Ticktack, die Uhr schlägt zwei in der Nacht. Mein Herz schlägt im Rhythmus der Zeit, während die Schatten der Dunkelheit zum Leben erwachen. Sie gleiten durch mein Zimmer, ihre grinsenden Gesichter und glühenden roten Augen funkeln im schwachen Licht. Ich kann nur denken: Was für ein perfekter Moment, der Herr der Finsternis tanzt auf meinem persönlichen Trümmerfeld. Meine eigene Unterwelt, ein Ort, der in Flammen steht und in dem die Zeit stillzustehen scheint.
Ticktack – die Uhr schlägt drei und ich bin immer noch im Bann der Nacht. Mein Atem flĂĽstert leise, flach und schwer. Das Bett, ein Meer aus SchweiĂź, ein Zeichen der inneren Qual. Mein angstgeplagtes Antlitz, blass wie der Mond, der durch das Fenster dringt. Doch plötzlich zerbricht sein silberner Schein, das Licht schwindet, und die Dunkelheit murmelt: “Verirr dich nicht, finde den Pfad zurĂĽck zum Licht!” Doch ich frage mich: “Welches Licht? Es bleibt mir verborgen!”
Ticktack, ticktack – die Uhr schlägt vier und ich liege hier, mein Körper taub, die Glieder schwer wie Blei, und die Müdigkeit drückt auf mich ein. Doch der Schlaf bleibt mir verwehrt, ich fühle mich innerlich leer. Ich erinnere mich an den alten Trick, mit dem man in den Schlaf gleitet: Schafe zählen! Eins, zwei, drei – die kleinen Wollknäuel hüpfen vorbei, doch wo bleibt Nummer vier? Offensichtlich hat sie sich versteckt! Selbst die Schafe bringen mich nicht zum schlafen.
Ticktock, die Uhr schlägt fünf, und der Tod serenadiert mir ein fröhliches Morgenlied. Doch dann finde ich meine innere Ruhe und beginne, durch die Schatten meiner Träume zu wandern. Ein Traum, geboren aus der tiefsten Dunkelheit, aus Erinnerungen, die wie Gespenster um mich kreisen und mich durch die Nacht verfolgen. Flucht ist unmöglich, gefangen in der düsteren Welt der Albträume. Doch was blitzt da am Horizont auf? Ein strahlender Streifen, ein Funke der Hoffnung. Jemand hat meinen verzweifelten Schrei vernommen und reicht mir seine Hand. Mit aller Kraft greife ich danach. die verfluchte Nacht ist vorbei. Zeit aufzustehen und weiterzuziehen, bis die nächste Nacht anbricht.
© Nathan Lippmann 2025-02-11