Das Spaghetti-Fiasko

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Wenn es was gibt, was ich von Kindesbeinen an leidenschaftlich esse, vielmehr begierig in mich schlinge – ok – mit dem ich mich bis zur Besinnungslosigkeit vollfressen kann, dann sind das Spaghetti Bolognese. Wenn Mutter damals Spaghetti kochte, dann war die Welt für mich in Ordnung. Der Duft, der die Küche und mein Herz durchflutete! Oh, süßes Leben! So lange es schmurgelte und blubberte, da war ich glücklich. “Soll ich mal kosten?”, frage ich, und werde rüde zurückgewiesen. Ich solle ja meine Nase aus dem Topf und die Pfoten vom Deckel lassen, bekomme ich zu hören. Och, mennoh! Noch eine Stunde bis zwölf. Und mein Magen knurrt, als hätte ich eine Katze gefressen. Eine ziemlich mürrische noch dazu. Mutter muss nach unten ins Geschäft. Ich blicke ihr um die Ecke nach. Als die Türe ins Schloss fällt, sehe ich meine Zeit gekommen. Ich heb den Deckel ab und sauge den herrlichen Duft in die Nase. Zum Glück kann meine Zunge schwimmen, sonst würde sie ersaufen!Und ich tunke den großen Löffel in den Topf. Einen Mundvoll herrliches Sugo schaufle ich mir auf die Zunge, schließe die Augen. Oh Gott im Himmel! Was ist das gut. Das ist so gut! Welch eine Sinnesexplosion. Oraler Höhepunkt in jungen Jahren. Ich blicke um die Ecke. Vielleicht noch einmal kosten. Und wieder, besser, schöner als der erste Bissen! Padauz! Wie mir das italienische Substrat der Götter die Schnauze innen wohlig tapeziert! Elysium, du bist aus Hack, Gewürzen und Tomaten – keine Frage. Noch einen Löffel, dann ist Schluss! Nur einen noch, das merkt kein Mensch. Vielleicht noch einen. Eine kleinen.

Ich sitz‘ zufrieden grinsend still im Zimmer. Da hör ich meine Mutter brüllen. Es nahen Schritte in unheilvoller Schnelle. Die Tür fliegt auf, und Mutter schwenkt den großen Löffel. “Bist du bescheuert?”, brüllt sie. Ich erstarre. “Hast du den halben Topf jetzt leergefressen? Was soll denn Vati essen? Bist du des Wahnsinns?” Ich zucke mit den Schultern. Ich hab doch nur gekostet!

Um zwölfe hocken alle um den Tisch, und Mutter hebt den Deckel. Mein Vater hebt den Hintern, blickt in den ziemlich leeren Topf. “Ist Krieg?”, so will er wissen, und Mutter blickt mich böse an. Es wird verteilt, und alle kommen dran. Als ich den Teller an den Topf schieb, rotzt meine Mutter mir grad so viel Sugo auf die Nudeln, um einen Fingerhut zu füllen. Ich schweige. Und ich könnte heulen, weil ich mitanseh’n muss, wie Vati, Mutter, Schwester so viel Sugo haben und ich nicht.

“Oh weh, ich Armer!”, will ich flehen. Dass keiner sieht, wie ich hier leide. Was ist das Leben ungerecht zu mir! Dann nimmt sich Vati auch noch nach. Und ich heb auch den Teller hin. Doch Mutter nimmt ihn an sich, nimmt ihn fort und sagt, ich wäre satt. Ich? Satt? Von wegen! Woher denn? Ja, womit denn soll ich satt sein! Von dem bisschen Sugo etwa? Die Tränen steigen in mir hoch. Ich möchte tot sein, als ich sehe, wie Vati schmatzend auch den Rest verputzt! Das ist kein Leben. Das ist Leiden. Schlimmer als der Tod.

Verzweiflung: Dein Nam‘ ist Bolognese!

© MISERANDVS 2021-03-13

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