von Ulrike Sammer
Südöstlich von Oberwart liegt sehr abgeschieden der österreichisch-ungarische Ort Siget in der Wart. Er ist der einzige Platz wo jeden Sonntag regelmäßig eine ungarische Messe abgehalten wird. So klein der Ort auch ist, so hat er doch nebeneinander zwei Kirchlein: das katholische und das protestantische mitten auf dem Anger.
Die katholische (vormals protestantische) Kirche ist dem heiligen Ladislaus geweiht. Sie steht unter Denkmalschutz und jedes Mal, wenn mein Mann und ich uns in der Gegend befanden, mussten wir ihr einen Besuch abstatten – so sehr haben wir uns in sie verliebt.
Der Schlüssel ist beim gegenüber liegenden Kirchenwirt (dessen gemütliches und malerisches Haus ebenfalls einen Besuch wert ist) zu bekommen.
Die Ladislaus-Kirche fällt schon von außen durch ihre krummen Mauern auf und macht einfach neugierig.
In der 1974 erschienen Beschreibung wird die katholische Filialkirche noch als „romanische Kleinkirche mit länglichem, etwas verzogenen Schiff und eingezogenen halbrunden Chor“ erwähnt. Die Kunstfreunde fielen in Entzücken bei der irrtümlich romanischen Bauernkirche. Aber danach gab es zwei Überraschungen: bei einer Restaurirung 1979 kamen die Fresken in der Apsis zum Vorschein. Und 1983 stellte sich heraus, dass die ganze Kirche erst im 17. Jahrhundert entstand.
Siget gehörte schon in der Arpadenzeit um 900 zu den ungarischen Grenzwächter-Siedlungen. Die erste urkundliche Erwähnung von „Zygeth“ (ungarisch „Insel“) stammt aus dem Jahr 1352. 1270 erhielten die in diesem Gebiet ansässigen Bogenschützen eigene Privilegien und wurden im 14.Jhdt in den Adelsstand erhoben. Mit Oberwart und Unterwart ist Siget eine ungarische Sprachinsel geblieben, auch nachdem 1921 das Burgenland zu Österreich kam.Die Kirche stammt vermutlich aus 1648. 1983 wurde vom Bundesdenkmalamt eine archäologische Untersuchung durchgeführt und im Kirchenschiff vier Bestattungen gefunden.
Wenn man die Kirche betritt, glaubt man es mit einem Werk der art-brut- Künstlergruppe der Psychiatrischen Anstalt Gugging zu tun zu haben: Der ganze Bau ist verzogen und so derart unregelmäßig, dass man nur mit offenem Mund dasteht. Die Apsis, die Fenster, der Altar, die Kanzel haben niemals ein Lot gesehen. Die Kirche wurde offenbar von einem sehr “schlichten“ Baumeister errichtet. Die überaus originelle Malerei („Secco“) ist farbenfroh und kindlich hingepinselt. Ein Strichmännchen mit einem Vogel auf einem Wagen über dem Altar stellt den Propheten Elias dar. Es wird als Elias auf dem Himmelfahrtswagen gedeutet. Rundherum gibt es eigenartige und zauberhafte Wunderblumen. Diese Art der Farben gab es von Westungarn bis Siebenbürgen in der Zeit des Protestantismus. Die fremdartig wirkenden bunten Fresken in Apsis, am Altar, sowie an der klobigen Kanzel sind für Österreich ein Unikum.
© Ulrike Sammer 2025-05-26