Das System ist schuld

Walter Tiefenbacher

von Walter Tiefenbacher

Story

Wie oft hören wir das. Das System ist daran schuld. Wie oft hören wir uns das selbst sagen.

Als System (altgriechisch sĂœstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird im Allgemeinen ein abgrenzbares, natĂŒrliches oder kĂŒnstliches „Gebilde“ bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichenEigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsamesGanzes betrachtet werden (können).

Soweit ein ErklÀrungsversuch in Wikipedia. Alles klar, oder?

Wer kreiert ein System ĂŒberhaupt? Besteht ein solches, seit es ein Universum gibt? In diesem Kontext gewiss. Wenn wir sagen, ‚das System ist daran schuld‘, so meinen wir in der Regel etwas gĂ€nzlich Anderes. Wir meinen wirtschaftliche Systeme, politische Systeme, gesellschaftliche Systeme. Ihnen allen immanent ist die Tatsache, dass Menschen diese Systeme geschaffen haben. Und Menschen in diesen Systemen leben und es permanent mitgestalten, weiterentwickeln aber oftmals auch nur fortschreiben. Und in dieser Fortschreibung steckt die TrĂ€gheit etwas zu Ă€ndern. Und je lĂ€nger ein System besteht, desto schwerer die VerĂ€nderung. Es sei denn, eine gewaltige Revolution bricht herein.

Wenn wir sagen, das System ist schuld. Dann weisen wir uns selbst Schuld zu. Vielen ist das gar nicht bewusst. Und jene, die am lautesten schreien‚ das System ist schuld‘, sind jene, die an den vielfĂ€ltigen Möglichkeiten, systemische Änderungen anzuregen und solche Prozesse mitzutragen, nicht teilnehmen bzw. teilhaben wollen. Historisch gewachsene Systeme zu Ă€ndern, ist oft ein schweres Unterfangen. Aber da Systeme von Menschen generiert wurden, können auch nur Menschen Änderungen vornehmen. FĂŒr solche Prozesse braucht man natĂŒrlich einen langen Atem.

Die vielfÀltigen Möglichkeiten, sich einzubringen, finden wir in der Politik, in Interessenvertretungen, im Ehrenamt, in Wissenschaft und Forschung, im Beruf usw.

Das System ist schuld, sagen jene, die keinen Beitrag leisten. Das System als etwas EigenstĂ€ndiges betrachten. Wie ein fremdes Wesen. Ich denke, alleine das Bewusstsein, selbst Teil des Systems zu sein, sollte die Frage aufwerfen, was ich zu diesem System beitrage. Im Sinne der berĂŒhmten Worte von John F. Kennedy “Ask not what your country can do for you; ask what you can do for your country”.

So weit, so gut. Viele Menschen erliegen der Ohnmacht „Was kann ich schon alleine verĂ€ndern oder bewegen“. Richtig. Alleine geht gar nichts. In keinem Lebensbereich. Es geht nur gemeinsam. Gemeinsam kann man Systeme abschaffen, verĂ€ndern oder neu kreieren. Und wie schon vorhin erwĂ€hnt gibt es genĂŒgend Wirkungsrahmen dazu. Wichtig ist, ein möglichst breites Interesse der Menschen mitzugestalten. Unliebsame Systeme bestehen dann weiter, wenn an und fĂŒr sich gestaltungswillige Menschen sich abwenden, resignieren und das Feld Besitzstandserhaltern und Systembewahrern ĂŒberlĂ€sst.

© Walter Tiefenbacher 2022-05-04

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