Das Team

Elisabeth Hofer

von Elisabeth Hofer

Story

Blicke ich auf meine Berufslaufbahn zurück, bin ich auf etwas besonders stolz: den Aufbau der ersten westlichen Firma, die im Bereich Coaching in Russland tätig wurde. Was braucht man als erstes, um eine Firma aufzubauen, sobald alle gesetzlichen Voraussetzungen zur Gründung erfüllt sind? Richtig! Die Menschen, das Team.

So suchte ich 1992 in Moskau zehn Russen und Russinnen, die für „Team Training Russia“ geeignet wären. Voraussetzungen waren gutes Englisch, Aufgeschlossenheit, Kreativität, Kommunikationstalent, ein gutes Gespür für Menschen. Diese zehn Personen sollten zu Trainern für Kommunikation und Team Building ausgebildet werden, diese Trainings an russische Firmen und Organisationen verkaufen und sie auch selbst durchführen. Die Bezahlung würde aus einem Grundgehalt und Prozenten für den Verkauf und die Durchführung der Seminare bestehen.

Die erste Frage war „wo annoncieren?“ Es war die Zeit vor dem Internet. In russischen Zeitungen gab es keine Sektion „Stellenmarkt“. Am 8. Februar 1992 wurde endlich die Zensur abgeschafft, im März wurde die englischsprachige Zeitung „The Moscow Times“ gegründet. Sofort gab ich meine Annonce dort auf. Es meldeten sich telefonisch 47 Personen.

Die zweite Frage war der Ort der Interviews. Da es in Moskau 1992 noch keinen Immobilienmarkt gab, arbeitete ich schon im „Home Office“, als es dieses Wort im Sprachschatz noch gar nicht gab. Ich entschied mich, die Interviews in der Lobby des Hotels „Penta“ durchzuführen.

Um es kurzzumachen: mangelnde Englischkenntnisse, die Fremdheit des Konzepts der Eigenverantwortung und eine für diese Arbeit ungeeignete Persönlichkeit ließen nur drei Diamanten von 47 bunten Steinen übrig.

Anna, deren italienischer Vater Ende der 1960ger Jahre nach Togliatti ausgewandert war, jener Stadt an der Wolga, in der der Fiat-Klon Schiguli gebaut wurde; sie sprach perfekt Englisch und war ein Kommunikationstalent. Marina, ein quirliges Persönchen mit sehr gutem Englisch, zeigte bereits beim Interview großes Talent für den Verkauf. Und Wladimir, der im renommierten Institut für Systemanalysen der Akademie der Wissenschaften gearbeitet hatte, war bereits mit Motivationstrainings für Großgruppen, wie sie in den USA durchgeführt wurden, bekannt.

Bereits vor den Interviews konnte ich meine Freundin Katja überzeugen mitzumachen. Ich hatte ihre Führungsqualitäten erkannt. Sie übernahm dann 1994 tatsächlich die Firma und führt sie noch heute. Durch das Netzwerk meiner Freunde fanden sich schließlich fünf weitere Personen, von denen aber nach einigen Monaten letztendlich nur zwei übrigblieben: Katarina, die einen esoterischen Hauch in die Gruppe brachte und Sascha, der zwar als Trainer nicht geeignet war, aber unser Logistikchef wurde.

Diese Gruppe von sechs Personen zeichnete sich durch den Mut aus, aus alten Denkmustern auszubrechen und Verantwortung für den Erfolg ihrer Arbeit zu übernehmen. Sie wurden mein Team.

© Elisabeth Hofer 2020-09-27

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