Das ultimative Alter des Erwachsenwerdens

Kerstin Pernegg

von Kerstin Pernegg

Story
Wien 2023

Wie man an der Angabe meines Profils bereits erahnen kann, steuere ich darauf zu: Ja, ich werde bald 30. Vielen in meinem Freundeskreis geht es ähnlich. Manche finden es furchtbar, anderen ist es egal. Ich gehöre eher zur zweiten Partie. Trotzdem frage ich mich, ob ich die Kriterien einer 30-Jährigen erfülle. Und kann es überhaupt Kriterien für ein Alter geben? Immerhin wäre ich schon in meinem Studium während der Vorstellungsrunden gerne unter die Bank gerutscht, wenn andere erzählten, bei wie vielen Unternehmen und Produktionen sie nicht schon tätig waren und was sie in ihrer Freizeit nicht alles machen. Haben manche Leute mehr als 24 Stunden am Tag zur Verfügung und wo muss ich mich dafür anmelden?

Mit 15 dachte ich darüber nach wie ich mit 30 sein werde. Jedenfalls steinalt und damit eindeutig mit beiden Beinen voll im Leben stehend. Heute frage ich mich: Was mache ich hier eigentlich? Bin ich „erwachsen“? Will ich es sein? Welche Indikatoren gibt es dafür?

Wenn jetzt jemand ein Haus bauen, Kinder haben und einen Baum pflanzen schreit, erwartet bitte nicht mehr als ein genervtes Augenrollen. Welcher nicht superreiche Mensch kann sich heutzutage mit einem, bzw. zwei, Gehältern und ohne Erbe einen Hausbau oder -kauf leisten? Klingt es verlockend? Ja. Vielleicht sollte ich meinen Hauskauf auf Kickstarter anlegen. Ohne Unterstützung wird das jedenfalls nichts mehr in diesem Leben.

Mit 30 Kinder zu bekommen ist in vielen Fällen zumindest nicht unmöglich und früher schon spät gewesen. Heute fühle ich mich mit 30 noch nicht erwachsen genug, um mich um ein anderes menschliches Wesen zu kümmern und mein derzeitiges Leben dafür aufzugeben. Zwei Katzen sind Verantwortung genug und kotzen mindestens genauso oft.

Einen Baum pflanzen kriege ich immerhin hin (Yey! Ein Häkchen). Das klappt oft aber auch nur, wenn man ein eigenes Stückchen Erde, oder gute Freunde mit ebenjenem Grund hat. Für das gute Gewissen und so. Ach und fürs Erwachsenwerden wär’s. Ist scheinbar eine reifermachende Erfahrung, Samen in der Erde zu vergraben. Beim momentanen CO2-Ausstoß hilft es uns nur leider nicht einmal, wenn alle 30-Jährigen noch schnell verzweifelt einen Baum pflanzen.

Keine guten Aussichten also für meinen 30er. Aber müssen wir uns solche Aussagen wirklich als Vorbild nehmen? Wir lassen uns meist viel zu schnell verunsichern und einreden, dass wir etwas tun sollten, weil es immer schon so war, weil es dem entspricht, was ein Teil der Bevölkerung für normal betrachtet und weil es „unserem Alter angemessen ist“. Alter ist nur eine Zahl. Und ich sage das nicht nur, weil ich mit 30 immer noch zittern muss, ob ich im Pub nach dem Ausweis gefragt werde. Wir können über unser Alter verzweifeln oder es hinnehmen. Egal was wir tun – es macht uns weder jünger noch älter. Also egal wie alt ihr demnächst werdet: Lasst die Sau raus und euch dabei von keinem sagen, wie ihr euch in eurem Alter zu verhalten habt. Immerhin liegt es in eurer Verantwortung euer Leben zum Vollsten auszuschöpfen.


© Kerstin Pernegg 2023-09-19

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Humor& Satire, Lebenshilfe
Stimmung
Herausfordernd, Inspirierend, Reflektierend
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