Für dich war ich warm und unerwartet wie eine Wintersonne und für mich warst du alles. Und ich habe mein ganzes Sein in deins geworfen und an manchen Tagen tut es immer noch höllisch weh und dann, an anderen Tagen, tanze ich in meiner Küche und du bist weit weg.
Aber an regnerischen Tagen bist du mein erster Gedanke und mein Letzter. Und an sonnigen Tagen erinnere ich mich an dein Lächeln und daran, wie sich deine Haut auf meiner anfühlte. Und an windigen Tagen denke ich daran, wie deine Worte von deinen Gedanken geformt werden und wie sie deine Lippen verlassen, weich mit warmen Klängen. Und an Tagen, an denen der Himmel sich ein Kleid aus Blautönen anzieht, können sich meine Lippen immer noch an den Geschmack deiner erinnern.
Und an grauen Tagen erinnere ich mich an das Geräusch, als mein Herz zerbrach. Mitten auf den Straßen von Rotterdam. Es regnete leicht.
Du spielst mit mir das verdrehte Spiel des Schicksals und gerade erinnere ich mich an Freitag. Morgenstunden auf deinem Balkon. Der Geschmack von Kaffee zwischen halbwachen Küssen. Deine Schulter und deine Welt neben meiner. Der letzte Moment vor dem Abschied.
Und ist es nicht schrecklich? Dieses verdrehte Spiel des Schicksals? Dass ich das Gefühl habe, dass es für dich nur ein weiterer Freitag war – über den ich den Rest meines Lebens schreiben werde.
Und im Moment fühlt es sich so an, als wäre mir das alles egal, und vielleicht ist das auch wahr. Mein Herz fühlt sich schwer an, wenn ich daran denke, nicht an dich zu denken. Ich weiß, dass wir gestern um Mitternacht beide den gleichen Himmel beobachtet haben, umgeben von hohen, pechschwarzen Bergen und wir haben innegehalten, kurz, bevor das Jahr zu Ende ging. Meine Gedanken waren weit weg und ich glaube, deine auch. Aber weiter weg als meine und ich weiß, dass du nicht an mich gedacht hast. Für dich war ich zwar warm und unerwartet wie eine Wintersonne, aber jeder genießt doch lieber die erste Sonne des Frühlings. Oder? Zumindest du.
Und du hast an andere Dinge und Menschen gedacht, während ich an dich gedacht hab und daran, wie du wohl gerade in den Himmel schaust. Der gleiche Himmel über mir. Wenigstens das konnten wir uns teilen. Wenn auch nur kurz. Dunkler Himmel neben dunklen Vorahnungen. Und für diesen einen Moment hast du dich so nah angefühlt und ich hatte das komische Gefühl, dass mir die Luft etwas zuflüstert. So als würde deine Stimme mir leise etwas sagen wollen, aber um mich herum waren tausend andere Stimmen und deine zu leise. Und dann, mit dem nächsten Feuerwerk, warst du schon wieder so weit weg. So weit weg, dass ich nicht mal mehr weiß, was mich bei dir hält. Und ich glaube, genau in diesem Augenblick hab ich dich verloren. Oder du mich. Oder wir uns.
© Lisa Marie Wurzer 2022-06-09