von Dominik_U
Von Kindesbeinen an wollte ich ein Wackelpuddingbad nehmen. Ich hatte die äußerst lebendige Fantasie, voll und ganz in diese Süßware einzutauchen und Teil des Wabbel-Schwabbelns zu sein. Besonders der grüne Wackelpudding hatte es mir angetan. Eine feine Sache, zumindest in meiner kindlichen Vorstellung, mitten im Pudding zu sitzen und mich mit Hilfe eines Löffels daraus zu befreien, indem ich den Pudding ganz einfach aufesse. Nichtsdestotrotz scheint mir eine weitere Vorstellung besonders lustig, zumindest finden mein Humor und ich das. Nun kommt sie, die Sache, die für mich aber nicht nachvollziehbar ist: Manche nennen den Wackelpudding auch Götterspeise – wie kann das sein? Dieses Zittergericht ist doch viel zu ängstlich, um mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht zu werden, oder etwa nicht? Dann hätte mir meine Geschichtslehrerin doch vermittelt, dass Tantalos Nektar, Ambrosia und Wackelpudding von der Tafel seiner Götter gestohlen hat, aber dem war halt nicht so.
Dieses zittrige Ding und ich – wir haben schon eine eigenartige Verbindung, vielleicht sind wir uns sogar ähnlich?
Ich springe in die Gegenwart, es ist gleich soweit. Ich erfülle mir jetzt einfach mal diesen Kindheitstraum. Die Türe geht auf, ich schiebe den Wagen in die Süßwarenabteilung, gebe das dort ansässige Wackelpuddingpulver in meinen Wagen und frage die Fachkraft, ob sie mir nicht auch noch den Wackelpuddingrestbestand holen könne. Sei kein Problem, so die Dame und ich erhalte die noch im Transportkarton verpackte Ware. Die Dame an der Kasse fragt mich, was ich denn mit der ganzen Götterspeise machen wolle. Ich antworte ehrlich und berichte ihr von meinem Vorhaben. Mit einem Lachen sagt sie, dass es 366,30 Euro mache und wünscht mir viel Vergnügen. Ich teile dieses und gehe mit meinem Einkauf nach Hause.
Wenig später stehe ich in meiner roten Badehose in meinem weißgefliesten Bad. Vorfreude macht sich breit. Ich gebe Unmengen an feinst grünem Wackelpuddingpulver in meine Badewanne, schütte im Takt kochendes Wasser nach und rühre. Ich wiederhole das Schütten, bis sich das Pulver aufgelöst hat und ich endlich in das wohltemperierte Wackelpuddingbad steigen kann. Der feine Waldmeisterduft huscht in meine Nase und lässt Bilder wach werden, in denen ich mich sehe, wie ich die Köstlichkeit zuerst mit dem Löffel anstupse, sie beim Zittern beobachte und schlussendlich verzehre. Während des kurzen Schluckmoments vergesse ich alles und jeden um mich herum.
Leicht glibberig und zäh schmiegt sich der Wackelpudding an meine Haut und umschließt meine Ohren, die er mit seinem Rauschen zudeckt. Mehrere Stunden muss ich hier nun verharren, sodass die Süßware fest werden kann. Also schließe ich die Augen. Und werde eins mit dem Wackelpudding, bis ich mich kaum mehr bewegen kann. Alles, was bleibt, ist das leichte Zittern. Und jetzt, endlich, kann ich jemand anderem die Schuld daran geben: Es zittert der Pudding, nicht ich. Und ich glaube es mir.
© Dominik_U 2021-04-01