Das Wesen von Besen

Anna Geier

von Anna Geier

Story

In die Ecke, Besen! Wäh, grauslich, so eine Sauerei! Warum muss ich den ganzen Dreck schlucken? Angefasst werde ich ganz grob. Man hält mich so fest, ich kann mich gar nicht wehren. Über alle Böden schleifen sie mich, in jedem Eck muss ich mich beweisen. Keine Widerrede. Sie drückt mich, sie schiebt mich, dreht sich um, macht die Tür auf. Mir graust unendlich. Ich bin dazu da, allen Dreck, alles Übriggebliebene, alles Unnütze beseitigen zu helfen. Man verlangt es von mir und dafür werde ich eingesetzt.

Wer hat mich überhaupt erfunden als Helferlein? Mein Daseinssinn ist vorherbestimmt. Sogar vor der eigenen Haustüre muss ich kehren. Die neuen Besen kehren gut, aber die alten Exemplare wissen, wo der Dreck liegt. Und wenn ich am Boden liege, muss ich mir blöde Sprüche anhören: „Ist eine von euch abgestürzt?“ Was bleibt mir übrig als zu antworten: „Meine Flügel sind in der Reparatur, daher bin ich heute mit dem Besen unterwegs!“ Wie ich mich da im Wesen des Besens wieder erkenne.

Aber ich habe so meine Vorzüge. Nicht jeder möchte Spuren hinterlassen. Das ist kein Problem für mich. Ich wische und verwische die gelegten Spuren, die dich verraten könnten. Alle Dinge die wir tun, hinterlassen Spuren. Sollten diese unsichtbar werden? Durch mein Zutun habe ich die Macht, diese Beweise zu vernichten. Es liegt an mir. Meine Handhabung und deine Hilfe ergeben eine Einheit. Ganz eifrig arbeiten wir zusammen, einer ungleichen Partnerschaft nicht unähnlich.

Welche Besen verwendeten wir? Der Stallbesen war für das Allergröbste. Der Hofbesen war für das Grobe. Der Küchenbesen war für den Rest im Haus. Der „Bartwisch“ hatte noch eine zentrale Rolle. Jeder brauchte Besen, in allen möglichen Formationen.

Altmodisch wie ich bin, habe ich auch heute noch Kehrbesen in Verwendung. Das muss bei anderen auch so sein, denn einen Beweis habe ich gefunden. Bei uns in der Bahnstraße gab es ein Besen-und Bürstengeschäft. Die Auslage glich einer Ladenhüterschau. Seit Jahrzehnten dasselbe Bild. Jedesmal wenn ich daran vorbei ging, schüttelte ich den Kopf und lachte.

Als mein Sohn damals noch Handball spielte, gab es jeden Juni ein Saisonabschlussfest. Die Tombola war immer ein kleiner Höhepunkt, denn es gab viele nette, gespendete Preise. Das Einemal war es ganz besonders. Die Bürsten- und Besenformation aus der Ladenhüterauslage hatte Wandertag und befand sich plötzlich auf dem Gabentisch der Tombola. Wie war ich froh, dieses Sammelsurium nicht bekommen zu haben. Das Gesicht der Gewinner wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Gelacht haben wir, bis sich die Besen und Bürsten gebogen haben.

© Anna Geier 2020-07-05

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