Das Wiedersehen

Roberta C.

von Roberta C.

Story

Da gab es das eine Restaurant in meinem Lieblingsviertel in meiner Lieblingsstadt. Von Zeit zu Zeit traf ich mich dort mit meiner besten Freundin. Meine damals beste Freundin. Die Zeitabstände, in denen wir uns sahen, wurden mit den Jahren immer größer, immer mehr Erfahrungen, die wir machten, machten wir ohne einander (ich weigere mich, das Wort zusammenzuschreiben). Es war nicht die Zeit, die zwischen uns stand, sondern das Leben. Wir gingen, jedenfalls, an dem einen Restaurant vorbei, ich hatte es überhaupt nicht mehr auf dem Zettel gehabt – ich hatte tatsächlich einen, eine To-do-list für den besonderen Tag mit meiner Freundin, die ich schon seit über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, und es kam mir vor, als kannte ich sie aus einem früheren Leben, ein Leben, das mir genauso fremd war wie sie. Ich war sicher, wenn wir uns erst einmal hingesetzt hätten, würde alles besser werden. Vielleicht lag es auch gar nicht an ihr. Ich genoss die Ruhepause von der unangenehmen Stille zwischen uns, während ich die Speisekarte studierte. Ehrlich gesagt tat ich nur so. Meine Augen flogen über die Gerichte und über die Preise, von denen ich nichts mitbekam, es kam mir so vor, als wäre in diesem kurzen Zeitfenster die Stille erlaubt. Als diene das Schweigen zwischen uns einem höheren Zweck. Es war kein schlechtes Zeichen mehr. Es war notwendig.

Hast du dich schon entschieden?, fragte sie nach einer Weile.

Meine Augen blieben bei den Wörtern Kartoffeln und Senfsamen stehen. Keine Ahnung, ob es eine Verbindung zwischen ihnen gab. Sie standen jedenfalls beisammen.

Klar, sagte ich. Der Kellner stand neben uns. Die Zeit hatte plötzlich eine ganz andere Qualität angenommen. Ich war mal wieder in meiner eigenen Gedankenwelt unterwegs gewesen. Ich bestellte das Gleiche, was ich früher schon immer genommen hatte, und meine Freundin fragte mich, ob ich nicht einmal Lust hätte, etwas Neues auszuprobieren, und ich sagte ihr, dass ich gern das Alte wiederhätte, das Gute, das, was wir schon immer hatten. Sie lächelte.

Du hast dich von deinem Freund getrennt, sagte ich. Sie hörte auf zu lächeln. Senkte ihren Blick auf ihre Hände. Sie waren plötzlich ineinander gefaltet und wirkten so, als würden sie sich bekämpfen. Als würden ihre Finger versuchen, sich gegenseitig zu erwürgen. Dann begann sie zu erzählen. Wie sie das, was sie an ihm liebte, zu hassen begann, und vice versa. Eine Trennung im Einvernehmen, sehr erwachsen, sehr zivilisiert. Jetzt Freunde. Bis es ihnen zu anstrengend würde.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Der Sekundenzeiger wanderte im Kreis herum. Der Kreis. Eine merkwürdige Form, dachte ich, es gab keinen Anfang und kein Ende. Würde ich auf der Linie eines Kreises leben, es würde sich alles wiederholen – bis in alle Ewigkeit. Die Schlange, die sich selbst verschlang. Oru-, Oro …

Hörst du mir überhaupt zu?, fragte meine Freundin mich.

Ich blickte von der Uhr zu ihr und freute mich schon darauf, bald wieder allein zu sein.

© Roberta C. 2022-11-17