Das ZurĂĽcklassen

dieschreiberei

von dieschreiberei

Story

Ich sitze alleine am See. Die Füße tauchen immer wieder in das kühle Nass. Am liebsten würden sich meine Zehen einrollen, so kalt ist es, das Wasser. Aber sie bleiben so wie sie sind. Halten fest. Ich halte sie fest. Auch sie sollen über ihre Grenzen gehen. Durchhalten. Denn meist kommt dann das Schöne. Das, wo Herz und Kopf sich endlich einig sind. Das, wo sich das Wohlgefühl von innen her ausbreitet und jede Faser des Körpers einnimmt. Sie ummantelt. Wie an einem kalten Wintertag. Bloß heute einfach mal von innen. Langsam breitet sich das Gefühl in mir aus. Die Zehen haben es geschafft.

In Gedanken lasse ich die Geschichten Revue passieren. Durchlebe sie erneut. Muss lachen. Muss weinen. Bin mal laut. Um dann ganz leise zu werden. Ich spüre die drei Worte „Ich liebe dich“ in mir. Wie ich sie beinahe zu dir gesagt hätte. Und in diesem Moment höre ich mich sie laut aussprechen. Sie ertönen wohlklingend in meinen Ohren. Eine wunderbare Melodie. Die Melodie der Liebe. Auch wenn sie nicht mehr dir gelten, ich fühle die drei Worte und weiß nun, dass ich ihren Klang liebe.

Da tauchen schon die nächsten Worte auf. „Ich brauche deine Hilfe“ flutscht von meinen Lippen. Mit einer Leichtigkeit, die ich kaum spüre. Bei der Geschichte mit dem Mädchen muss ich lauthals lachen. Auch sie gleiten mir nun aus dem Mund. Werden geleitet von unzähligen weiteren Komplimenten. Die ich nie ausgesprochen habe und die sich nun endlich ein Gehör verschaffen.

Der Kaffeeduft erinnert mich an den Zeitungsverkäufer. Er hat mich gelehrt, dass es nichts kostet, ehrlich zu anderen und vor allem zu sich selbst zu sein. Dass auch diese Worte Ohren brauchen, die sie hören.

„Es ist wunderbar, dass ich mich verloren habe. Denn ich liebe es, Dinge zu finden. Menschen zu finden. Und am meisten liebe ich es, mich selbst zu finden“, rufe ich laut in die mich umgebende Stille. Die Worte hallen nach. Ich halte meine Hände, genieße dieses Gefühl, bei mir zu sein. Und ich weiß, dass es nicht immer so sein wird. Aber ich weiß, wie sich nach Hause kommen anfühlen kann. Und mit diesem Gefühl werde ich es immer wieder schaffen.

Und dann wird mir bewusst. Ich kann die Worte nicht verlieren, wenn ich sie ausspreche. Sie werden immer mir gehören. Ob gedacht oder gesagt. Sie sind die meinen. Besetzt mit meinen Gefühlen. Mit meinen Erfahrungen. Mit meiner Liebe.

Mit jeder einzelnen dieser wunderbaren Geschichten verändern sich die Worte. Hauchen sich ein neues Dasein ein. Sie sind keine Ungesagten mehr. Sie sind nun die gesagten Worte. Die Leben verändern. Die Momente erleichtern. Die Ehrlichkeit in sich tragen. Das Begräbnis der ungesagten Worte.

© dieschreiberei 2022-08-07

Hashtags