Dasselbe Meer

Wir sitzen in Griechenland am Meer, haben die Füße im Wasser. Wir waren schon oft hier, auch schon als meine Schwestern und ich noch klein waren. Vor uns steht der Horizont in Flammen in den wenigen Minuten, bevor die Sonne ganz verschwindet. Wir schweigen, sitzen einfach da und genießen den Moment. Der Urlaub ist fast schon vorbei, auf jeden Fall für mich. Es ging wieder zu schnell. Auf dem Hinweg bin ich mit meinen Eltern mit dem Auto gefahren. Wir haben uns abgewechselt. Aber ich muss früher wieder zurück. Eigentlich wollte ich mit dem Zug fahren, aber das dauert über 50 Stunden. Jetzt fliege ich.

Wenn wir mal Kinder haben, fragt meine große Schwester, meinte ihr, dann gibt es den Strand hier noch? Also meint ihr, wenn die so alt sind wie wir jetzt, können wir dann mit denen noch hierherfahren?

Kevin Kaarl singt Tus ojos brillan más, que la luna, sol e mar. Wie unpassend, denke ich, und frage mich, ob ich das Lied meine oder die Frage.

Keiner antwortet und eigentlich wissen wir es ja auch. Der Moment gerade ist so kostbar und ich spüre schon, wie er mir wieder entgleitet. Da ist wieder diese Melancholie. Seit ein paar Monaten ist sie da und ich dachte, dass sie mit der Sonne und der Wärme des Sommers verschwindet, aber das tut sie nicht.

Ich kann mir irgendwie gar nicht vorstellen, was in 5 Jahren ist. Vor zwei Jahren konnte ich das noch, aber jetzt. Ich mache eine Pause. Jetzt ist irgendwie alles so unsicher. Meine Schwestern nicken. Wir sind nicht weit auseinander. Sie wissen wie ich, wie es ist jetzt jung zu sein. Ich sehe, wie mein Vater mir einen flüchtigen Blick zu wirft. Ich strecke meine Beine aus und beobachte, wie das Wasser meine Knöchel umspielt.

Letztlich ist das, was ich nicht verstehe, wie man sich bei all den Krisen auf der Welt, noch auf so etwas wie die Liebe oder Hoffnung verlassen kann. Etwas scheinbar so banales. Und mein Vater scheint zu wissen, was ich denke.

Wisst ihr, es passieren viele schlimme Dinge und Menschen tun schlimme Dinge, aber das Leben ist trotzdem lebenswert. Solange man seine Freunde hat, seine Familie, er nickt, solange kann man vieles schaffen. Ich sehe ihn an, wie er aufs Meer blickt, wie die letzten Sonnenstrahlen noch sein Gesicht streifen. Und ich weiß, dass jetzt so ein Moment ist und ich will es wirklich glauben.