von Rebecca Borde
Dein Leben ist voll von unerfüllten Sehnsüchten. Du glaubst zu oft, verliebt zu sein und erkennst wahre Liebe viel zu selten. Du schmiedest Pläne und träumst groß, aber nur nachts, weil du zu ängstlich bist, mit offenen Augen zu träumen. Du brauchst immer einen Ausweg und willst kein Risiko eingehen und du ärgerst dich so sehr, wenn du nichts erreichst, ohne je deine Komfortzone zu verlassen.
Du bist oft so nah dran. Die Welt könnte dir gehören, aber du hältst dich liebend gern selbst auf. Es soll dir nie an Ausreden mangeln. Solange die anderen verstehen, wieso es doch nicht funktioniert, hat und sie akzeptieren, dass es nicht deine Schuld ist, fühlst du dich wohl und dann kannst du einfach weiterleben, gefangen in den Mauern, die du dir selbst gebaut hast. Neben dir liegt der Vorschlaghammer, mit dem du jederzeit alles beenden könntest. Du könntest jederzeit ausbrechen. Aber du bleibst, weil du Angst hast vor dem, was dich da draußen erwarten könnte.
Wenn du alt bist, sitzt du vor großen Uhren und weinst, weil die Zeit so schnell vergeht. Du denkst an all die verpassten Momente, an all die Male, in denen du nicht auf dein Herz gehört hast, weil du dachtest, das sei dumm. Irgendwann hast du angefangen, leere Unterhaltungen zu führen, weil dir die Dinge, die du sagen könntest, ausgegangen sind.
Du denkst an all die Male, bei denen du Verabredungen auf später aufgeschoben hast, bis aus später ein Niemals wurde, weil die Zeit schneller war als ihr. Dabei hat sie nie begonnen, schneller zu vergehen. Du bist einfach langsamer geworden. Als du alt geworden bist, hast du vergessen, nach Magie zu suchen. Du hast vergessen, Spaß zu haben und es ist dir wieder eingefallen, als du gemerkt hast, dass du nicht ewig lebst. Irgendwann hast du begonnen aufzuhören. Aber vielleicht geht es hier gar nicht um dich. Vielleicht ist das hier nicht deine Geschichte.
Weißt du noch, wie du immer durch den Mund eingeatmet hast, um Freiheit zu schmecken?
Weißt du noch, als du dir dein erstes Tattoo hast stechen lassen, weil du dir vorgenommen hast, all die besonderen Momente, die dir das Leben schenkt, wie eine Kunstgalerie auf deiner Haut zu tragen?
Hörst du hin und wieder noch das Geräusch, das du machst, wenn du dich freust?
Weißt du noch, dass du Flügel hast? Weißt du noch, wieso du sie nicht nutzt?
Was ist aus all deinen Plänen geworden? Hast du sie wahr werden lassen? Oder ist dein Leben voll von unerfüllten Sehnsüchten, weil du nur nachts träumst und tagsüber so ängstlich bist, obwohl es dann gar nicht dunkel ist?
Ich hoffe, dass das hier nicht deine Geschichte war. Deine Geschichte kann mehr sein als das. Schreib sie neu und wenn wir alt und weiß und vielleicht sogar weise sind und uns wiedertreffen, kannst du mir vorlesen aus dem Buch deines Lebens. Du musst nicht auf Weltreise gehen und auf Bühnen stehen und reich werden. Vielleicht liest du mir einfach eine Liste mit Gründen vor, wieso du verdammt glücklich bist, und ich sitze neben dir mit heißem Kaffee und lächle dir zu.
© Rebecca Borde 2022-11-20