Ich sitze traurig in meinem bequemen Ohrenbacksessel im Wohnzimmer und kann es nicht fassen: Wieder hat mich jemand abgehakt. Ein schmerzhaftes Deja-vu macht sich in meinem Inneren breit und viele TrĂ€nen kullern auf meine Bluse, die sich nach einer halben Stunde durchnĂ€sst anfĂŒhlt. Noch immer kann ich es nicht fassen, dass sich eine ganz bestimmte Verletzung wiederholt hat.
Endlich erhebe ich mich schwerfÀllig und setze mich zu meinem Freund, dem PC. Die Mailbox enthÀlt Interessantes, denn das Wochenhoroskop und die Tarotkarte haben mich ziemlich neugierig gemacht.
Die Astrowoche von „Wunderweib“ hĂ€lt folgendes fĂŒr mich bereit: Merkur verbindet sich mit Pluto und Saturn im Quadrat. Das bringt Ihre heile Welt ganz schön in Unordnung. Sie fĂŒhlen sich erschöpft und ausgelaugt. Die Kraft ist weg, um Zeit und Hilfe fĂŒr die Sorgen anderer zu finden. Deshalb: KĂŒmmern Sie sich in dieser Woche nur um sich selbst. Gönnen Sie sich Ruhe und eine Auszeit.
Ich muss unwillkĂŒrlich lĂ€cheln, dann seufze ich tief, denn genauso ist es. Ich fĂŒhle mich wie ein ausgedrĂŒckter Badeschwamm ohne Wasser und Seife, liegengelassen im unaufgerĂ€umten Badezimmer. Genauso geht es mir – liegengelassen, entsorgt. Ich kĂ€mpfe mit den TrĂ€nen, denn diese KrĂ€nkung ist fĂŒr mich körperlich und seelisch spĂŒrbar.
Jetzt die Tarotkarte: Der Tod! Lassen Sie los, was nicht mehr gut fĂŒr Sie ist, VerĂ€nderungen mĂŒssen jetzt sein, eine Geldquelle tut sich auf und ein Stimmungstief erwartet Sie. Na da kann man nur sagen : Prost, Mahlzeit. Jetzt werde ich auch noch bestĂ€tigt, dass ich loslassen muss. Ich richte mich auf, koche mir eine gute Tasse Kaffee und verdrĂŒcke eine Schaumrolle, bis ich auf dem KĂŒchentisch meinen Maya-Kalender sehe. Ich schlage das gestrige Datum auf und lese: Erforsche den Zweck deiner Beziehungen: Erkenne deine Emotionen und BeweggrĂŒnde. FĂŒhle Liebe auf all ihren Ebenen und beginne neu, indem du „nur“ DU bist – deine wahre Essenz. Lass‘ los und fĂŒhle die Vollkommenheit, die dein „Dich-Finden“ auslöst. Sonne dich, auch wenn du noch Wolken siehst. Lasse dein Thema los, verschiebe Unlösbares oder löse es heute noch schnell im Eilzugstempo (aus: E. Kappacher „Mein Maya-Tagebuch“).
Ich schnappe mir einige Tempo-TaschentĂŒcher, wische die TrĂ€nen weg und schneuze mich gerĂ€uschvoll. „Was soll’s, denke ich mir, es hat nicht sollen sein, es wird sich ein anderes Tor öffnen! Du bist eine starke Frau – was dich nicht umbringt, macht dich nur schlauer!“ Ăber meine Umformulierung muss ich plötzlich lachen und jetzt heiĂt es „Krone richten“ und weitergehen auf dem Pfad des Lebens!“
Wenn ich sie das nĂ€chste Mal sehe, weiĂ ich, dass ich mich zu keiner Arbeit mehr einteilen lasse, denn die Freundschaftsdienste sind ab heute vorbei. Ich reiĂe mein Fenster auf und wĂ€rmende Sonnenstrahlen fallen auf mein Gesicht und dann sage ich laut: „Ich bin wertvoll und schaffe das!“ SchlieĂlich beginne ich bewusst zu atmen! Ein, aus, ein, aus – das GlĂŒck spĂŒre ich mit allen Sinnen!
© Christine BĂŒttner 2020-09-26